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Deutsche Seiten, 11. 4. 2025
Das sind bemerkenswerte Einschätzungen. Václav Klaus ist nicht nur eine prägende Figur der europäischen Geschichte. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verantwortete er als Ministerpräsident (1992–1998) und dann als Präsident der Tschechischen Republik (2003–2013) den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Darüber hinaus gehört er zu den führenden liberalen Ökonomen unserer Zeit in der Tradition der berühmten österreichischen Schule eines Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises. Anders als viele seiner Professorenkollegen sieht Klaus die amerikanische Zollpolitik nicht als Angriff auf den freien Handel, sondern als notwendigen Versuch, den unfrei gewordenen Welthandel wieder zu befreien. Das folgende Gespräch haben wir über Zoom geführt. Eine ungekürzte Fassung finden Sie auf Weltwoche Daily.
Weltwoche: Herr Präsident, beschäftigen wir uns zuerst mit Präsident Donald Trumps Zollpolitik. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Ausmass und der Art und Weise der Massnahmen gehört haben?
Václav Klaus: Lassen Sie mich eine relativ provokative Anfangsthese formulieren: Trump schafft mit seinen Zöllen keine neue Realität, sondern er reagiert auf die heutige Realität eines nicht mehr freien und nicht mehr fairen Welthandels. Er handelt vernünftig und positiv. Ich weiss, das ist provokativ; in Europa ist es ja fast nicht mehr möglich, so etwas zu sagen.
Weltwoche: Worauf reagiert Trump?
Klaus: Für mich ist das keine Überraschung. Er hat es mehrmals gesagt, dass er so etwas Ähnliches machen werde. Ich finde es vernünftig, was er jetzt macht. Trump ist kein passiver Mensch. Er ist ein Aktivist, er möchte den Macht- und Bedeutungsverlust Amerikas nicht ohne Reaktion akzeptieren. Er sieht den Rückgang der primären und sekundären Sektoren der US-Wirtschaft. Deshalb reagiert er, diese Reaktion ist notwendig – auch für Europa. Man sollte nicht nur über Zölle sprechen. Zölle sind nur ein kleiner Bereich der wirtschaftlichen Einmischung. Die anderen Barrieren sind viel wichtiger als nur die Zölle.
Weltwoche: Welche Barrieren sind das?
Klaus: Die Menschen in Europa sagen jetzt oft, dass Trump die Prinzipien des freien Markts und des Freihandels attackiert. Doch freie Märkte und Freihandel existieren in der heutigen Wirklichkeit nicht mehr. Man sollte über die ganze Gruppe von Staatsinterventionen reden. Mit seiner Zollpolitik möchte Trump andere Länder zwingen, ihre Barrieren abzuschaffen, die nicht so klar sichtbar wie Zölle sind, die Hunderten von Regulierungen etwa in der europäischen Wirtschaft, besonders in der EU. Da kann man nicht davon sprechen, dass es freie Märkte gebe. Das weiss Trump sehr gut, das will er ändern.
Weltwoche: Trump ist kein Zerstörer des Freihandels, sondern ein Befreier des Freihandels?
Klaus: Das ist eine perfekte Zusammenfassung. Ich habe meine politische Karriere mit dem Slogan «Marktwirtschaft ohne Adjektive» gestartet. Damit meine ich Marktwirtschaft ohne Einmischung des Staats, die damals mehr an der sozialen Ebene war mit Sozialpolitik, aber jetzt mehr und mehr mit der grünen Ideologie verbunden ist. Wenn jemand Trump attackiert und nicht zugibt, dass der sogenannte Green Deal, den wir bei uns haben, den Freihandel untergräbt, dann finde ich das absolut komisch. Ich glaube, Trump versteht es und weiss, was er macht.
Weltwoche: Wie interpretieren Sie die Reaktion der Aktienmärkte? Viele sagen, Trump habe viele Akteure derart verunsichert, dass die Kurse jetzt herunterrasseln. Er schüre Unsicherheit, das sei Gift.
Klaus: Einerseits ist es korrekt. Jede Änderung der Wirtschaftspolitik muss Folgen haben, auch die Trump-Politik hat bestimmt kurzfristige Folgen. Aber man muss über die langfristigen Folgen nachdenken, über die Änderung des ganzen Systems der Weltwirtschaft. Langfristig sehe ich das als eine sehr positive Sache.
Weltwoche: Was werden die langfristigen Folgen sein?
Klaus: Eine Befreiung des Freihandels. Kurzfristigerwarte ich noch grössere Reaktionen, besonders in Europa. Es kann zu Handelskriegen kommen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine Wende absolut notwendig ist und war. Die Globalisierung war keine Liberalisierung der Wirtschaft. Das war nicht klassisch liberal. Es ist klar, dass die Globalisierung die strukturellen Schwächen einzelner Länder, Sektoren und besonders Firmen demonstriert – sogar Kontinente könnten betroffen sein.
Weltwoche: Es gibt Stimmen, die sagen, Trump täusche mit seinen Zöllen das Publikum, denn mit dieser Methode könne die Industrie nicht nach Amerika zurückgebracht werden.
Klaus: Trump täuscht jemanden, das ist klar. Aber ich bin der Meinung, dass diese Menschen die Substanz von Trumps Politik nicht gut verstehen. Ja, Freihandel hilft allen, aber nicht alle sind die Gewinner aller Änderungen. Die Frage ist, ob wir im Prinzip die Verbesserung der Weltsituation wollen oder nicht.
Weltwoche: Wie werden die Chinesen reagieren? Da haben wir sehr starke Reaktionen gehört. Das klingt bedrohlich nach Handelskrieg. Kann eine weltweite Rezession entstehen?
Klaus: So dramatisch ist es nicht, trotzdem erschütterte Trump die ganze Welt, die Welt muss reagieren, man muss ein neues Gleichgewicht finden.
Weltwoche: Sie sagen, Trump hat recht, wenn er sagt, mit diesen Massnahmen wolle er zu einem fairen Welthandelssystem. Trump korrigiert die Unfairness des Systems.
Klaus: Bestimmt. Was oft vergessen geht, ist, was er letzte Woche sagte: Was ich mache, ist eine Reaktion. Wir alle wissen, dass die Zolltarife Europas gegenüber Amerika höher sind als die Zolltarife in Amerika gegenüber Europa. Eine andere Sache sind Exportsubventionen, die besonders in Europa und in China sehr hoch sind – nicht in Amerika. Trump sagt, wenn die Exportsubventionen nicht eliminiert werden, wird er Zölle einführen.
Weltwoche: In Brüssel hat vor allem eine Aussage von Trump Alarm ausgelöst. Er sagte: Die EU sei erfunden worden, um die Vereinigten Staaten von Amerika über den Tisch zu ziehen. Ist die Europäische Union ein Betrügerverein?
Klaus: Die Europäische Union sollte akzeptieren, dass es ihre Probleme sind und nicht Trumps Zolltarife: die künstliche Vereinheitlichung des Kontinents und die irrationale Überregulierung der Wirtschaft. Was wir in der EU heute erleben, ist etwas wirklich sehr Ähnliches zur Situation im Kommunismus. Wenn man die heutige Situation in Europa mit dem Spätkommunismus in den siebziger und achtziger Jahren vergleicht, ist die staatliche Einmischung in die Wirtschaft beunruhigend ähnlich.
Weltwoche: Trump verbindet seine Tarifpolitik mit einer Politik der Deregulierung und der Steuersenkung im Inland. Ist das historisch etwas Neues, Einzigartiges? Gibt es Vorbilder?
Klaus: Das ist nichts Neues. Es ist eine ewige Debatte, wie frei die Märkte sein sollen. Für uns war das besonders nach dem Ende des Kommunismus wichtig. Wir wussten, wir müssen Gesellschaft und Wirtschaft deregulieren, liberalisieren und privatisieren. Aber die vierte Sache war die De-Subventionierung. Das war mein Slogan Nummer eins. Das erste Jahrzehnt nach 1989 war in dieser Hinsicht absolut erfolgreich, aber dann haben wir verstanden, dass Subventionen eine normale Sache in der Europäischen Union sind. In Verhandlungen mit der EU mussten wir mehrere Subventionen einführen. Deshalb ist für mich die De-Subventionierung absolut wichtig. Zölle auf der einen und Subventionen auf der anderen Seite sind dieselbe Debatte. Das haben Volkswirte verstanden, nie aber Kommissare und schon gar nicht Madame von der Leyen.
Weltwoche: US-Präsident Ronald Reagan, unterstützt von Margaret Thatcher, hat die Sowjetunion schachmatt gesetzt. Glauben Sie, dass Trump die EU zum Einsturz bringen kann. Was die immer zahlreicher werdenden EU-Skeptiker in Europa begrüssen werden?
Klaus: Ja und nein. Ich muss zugeben, dass die Änderungen sichtbar sind. Das ist klar. Trotzdem sind die Änderungen noch zu klein. Ich verfolge die Entwicklungen in Deutschland. Ich finde es tragisch, was die CDU macht. Aber wie kann man das in Deutschland ändern? Da bin ich mir nicht sicher. Bestimmt, die Änderungen sind da, zum Beispiel die Existenz von sogenannten Patrioten im EU-Parlament. Sie haben heutzutage 11,5 Prozent. Das ist nun wirklich keine Mehrheit, es wird noch lange Zeit dauern, bevor wir die bekommen. Wir sind gerne für diese Änderung, aber eine Mehrheit gibt’s noch nicht. Das wäre Wunschdenken.
Weltwoche: Ist Trump ein Befreiungsschlag, den gerade Europa dringend nötig hat?
Klaus: Bestimmt. Trump hat alles geändert in der Welt, in der Politik. Die Folgen sind für mich sichtbar – nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa und anderen Ländern. Aber sind wir bereits im Jahr 1985, vier Jahre vor dem Fall des Kommunismus? Oder stecken wir noch im Jahr 1971? Da bin ich nicht sicher, leider.
Weltwoche: Was wäre die richtige Reaktion auf die Politik von Trump? Was muss die EU machen? Was wäre vernünftig?
Klaus: Ich will keine Ratschläge erteilen, die EU-Politiker werden nicht darauf hören. Deshalb sollten wir diese Ratschläge für die nächsten Jahren lassen.
Weltwoche: Vielleicht führen Frau Meloni, Herr Macron und Co. bilaterale Gespräche mit Washington. Wird Brüssel nicht allmählich irrelevant?
Klaus: Man kann in der Europäischen Union nichts ohne Veränderungen in den einzelnen europäischen Mitgliedstaaten erreichen. Man kann nichts in Brüssel ändern, man muss das in verschiedenen europäischen Staaten machen – dann kann man etwas in Brüssel ändern. Man muss zu Hause fleissig und aktiv arbeiten. Wir brauchen Männer wie Trump, die zeigen, dass sie, ohne müde zu werden, aktiv sind. Trump ist ein Vorbild für uns alle.
Weltwoche: Trump ist angetreten, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Wenn ich die Sache richtig analysiere, sind wir an einem nicht ungefährlichen Punkt. Die Russen gewinnen und haben das Gefühl, von der ganzen Welt betrogen worden zu sein. Und wenn man dabei ist, einen Krieg zu gewinnen, hat man kein Interesse, ihn zu beenden. Wenn Putin weitermacht, bringt dies Trump in eine schwierige Lage. Wie sehen Sie die Situation? Was muss da passieren, damit dieser Krieg aufhört?
Klaus: Ich möchte das nicht vereinfachen und trivialisieren. Es ist klar, dass dieser Krieg kein Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist. Von Anfang an war es klar, dass es ein Krieg zwischen den Vereinigten Staaten, also dem Westen, und Russland ist. Die arme Ukraine ist nur ein Opfer dieses Krieges. Die Ukraine spielt darin auch eine wichtige Rolle, und die Politik von Präsident Selenskyj ist wichtig, aber es ist klar: Die Debatte ist zwischen Russland und Amerika. Hoffentlich werden sie eine Lösung so schnell wie möglich finden. Es wird nicht in 24 Stunden geschehen, wie es Trump versprochen hatte. Es ist ganz klar: Niemand, weder die Ukraine noch Russland, kann diesen Krieg gewinnen. Am Ende muss man Kompromisse suchen. Es ist eine Tragik der Menschheit, das wir mit den Kompromissen nicht schon im Februar 2022 gestartet haben oder bereits im Jahr 2014. Das war die erste Möglichkeit, etwas zu machen.
Roger Köppel, Die Weltwoche Nummer 15, 10. April 2025
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