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Deutsche Seiten, 6. 2. 2002
Fragen von Profil:
1. Die FPÖ fordert neue Verhandlungen über die Abstellung des AKW Temelín. Falls Sie die nächsten Wahlen gewinnen sollten, wären Sie als Ministerpräsident mit der Eröffnung einer neuen Verhandlungsrunde mit Österreich einverstanden?
Österreich ist unser unmittelbarer Nachbar und das Atomkraftwerk Temelín ist ein großes und gegenwärtig in einem sehr hohen Maße politisiertes Projekt. Ich halte es deshalb für selbstverständlich, daß auch die neue Regierung die standardmäßige Kommunikation mit den österreichischen Partnern weiterführen wird. Die Neueröffnung des Verhandlungsprozesses ist meiner Meinung nach nicht möglich. Ich erachte den Melker Prozeß für abgeschlossen. Seine Schlußbestimmungen werden erfüllt und aus diesem Grunde habe ich dazu nichts mehr hinzufügen.
2. Wie werten Sie das Ergebnis des Volksbegehrens in Österreich über das AKW Temelín?
Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen auf die österreichischen Politiker Druck in Richtung konkreter Entscheidungen ausüben, was nicht vernünftig ist. Bereits heute können sich die österreichischen Politiker nicht erlauben, die heimische öffentliche Meinung zu ignorieren, und von Prag aus gesehen kommt es uns vor, daß sie ihr manchmal mehr entgegenkommen, als es ein verantwortlicher Politiker tun sollte. Ich halte eine weitere Einengung des Bewegungsraumes der österreichischen Politiker nicht für sinnvoll, denn mit so gebundenen Händen werden sie nicht in der Lage sein, eine für den anderen Partner, also für die Vertreter der souveränen Tschechischen Republik, akzeptable Lösung zu vereinbaren. Die tschechischen Politiker befassen sich nicht damit, ob sie die Ergebnisse der österreichischen Volksabstimmung akzeptieren oder nicht akzeptieren sollten. Sie werden das Handeln der österreichischen Politiker akzeptieren oder nicht akzeptieren. Inwieweit das Volksbegehren diese Taten beeinflussen kann, ist nur eine Sache Österreichs. Ich bin nur der Meinung, daß es nicht im Interesse der Bürger von Österreich ist, den Integrierungsprozeß der Tschechischen Republik in die EU zu komplizieren.
3. Die FPÖ- Politiker stellen die Anforderung, daß die tschechische Regierung die Beneš-Dekrete über die Sudetendeutsche vor dem EU-Beitritt annullieren soll. Sind sie bereit, einen solchen Schritt durchzuführen und würden Sie einen symbolischen Akt des Bedauerns hinsichtlich der durch Tschechen an der sudetendeutschen Bevölkerung verübten Verbrechen unterstützen?
Symbolische Akte sind zur Mode geworden und ich glaube nicht, daß man durch sie etwas reales erreichen kann. Die Beneš-Dekrete haben gegenwärtig keine aktuellen rechtlichen Konsequenzen. Ich kann mir den Dekreten gegenüber keine andere Haltung vorstellen, als die wir bei der Vorbereitung des fünf Jahre alten tschechisch-deutschen Abkommens eingenommen haben: auf politischem und rechtlichem Niveau werden wir uns mit der Vergangenheit nicht befassen.
4. Was meinen Sie zu den Forderungen auf Schadenersatz unter den Sudetendeutschen?
Ich will keinem Unrecht gegenüber unsensibel sein. Die unentwegte Eröffnung dieser Probleme setzt uns jedoch immer wieder bloß in die Vergangenheit zurück. Das halte ich für falsch und ich bin zu keinen Zugeständnissen bereit. Wir können die Vergangenheit und ihre Tragödien hierdurch nicht lösen. Eher im Gegenteil.
5. Die Aussagen des Ministerpräsidenten Miloš Zeman für Profil haben zu Spannungen in den Beziehungen zwischen der ČR und Österreich geführt. Was sollte jetzt unternommen werden?
Ich verwende das Vokabular von Zeman nicht und ich teile seine verschiedene Meinungen auch nicht voll. Ich teile jedoch seine Überzeugung, daß ein Vertreter des tschechischen Staates die tschechischen Interessen verteidigen muß. Es ist aber nicht nötig, in die internationalen Beziehungen Kraftwörter, scheinbar witzige Bonmots und Provokationen hineinzutragen. Ich schlage nichts grundsätzliches vor, es wird genügen, wenn wir zur sachlichen und produktiven Politik zurückkehren. Die Bürger unserer beiden Länder brauchen das.
6. Der FPÖ-Generalsekretär Sichrovski sagte, daß Regierungen in Prag im Gegensatz zu Österreich kein Vermögen der jüdischen Bevölkerung wiedergegeben haben. Was ist Ihre Meinung darüber?
Die Aussage von Herrn Sichrovski ist so unsinnig, daß es vergeblich ist, auf sie zu reagieren.
Václav Klaus, Profil, 5.2.2002
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