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Deutsche Seiten, 7. 9. 2024
Vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit hier in Stuttgart wieder einmal reden zu dürfen. Ich bin nicht oft in diesem Teil Deutschlands. Zum letzten Mal habe ich hier – glaube ich – vor acht Jahren gesprochen.
Das war auf einem AfD Kongress und dieses Erlebnis war für mich wirklich überraschend. Meine Haupterinnerung ist aber nicht positiv: Hunderte von hoch bewaffneten Polizisten, die hier anwesend waren, um die Teilnehmer des Kongresses zu schützen. Für mich war es absolut neu. Etwas Ähnliches konnte man bei uns, in der Tschechischen Republik, zum letzten Mal in der kommunistischen Ära erleben. Nicht 27 Jahre nach seinem Ende.
Unsere radikale politische, ökonomische und soziale Transformation war ruhig und ohne Gewalt. Nicht zufällig hat man damals über die tschechische Samtrevolution gesprochen. Auch die nachfolgenden Entwicklungen waren in unserem Land relativ friedlich. Wir hatten keine Antifa, keine Radikalen auf der rechten Seite des politischen Spektrums und die, mit Kommunismus verbundenen Linken waren nach der schnellen und erfolgreichen Wende so erschüttert, dass sie sich keine lauten Proteste erlaubten.
Das habe ich (und wir) mehr oder weniger vorausgesehen. Die alte linke Ideologie war während des Kommunismus so diskreditiert, dass sie in diesem Moment keine wirkliche Gefahr darstellte. Zum Glück. Die neue linke Ideologie ist etwas ganz Anderes. Die herrscht jetzt auch bei uns. Das nehme ich als eine persönliche Niederlage, als ein persönliches Versagen, als unser Misserfolg. Wir hätten besser vorbereitet werden sollen.
Heute ist die Atmosphäre auf den Straßen der tschechischen Städte noch relativ ruhig. Der neue, so bedürftige Aufstand der Massen – im Sinne von Ortega y Gasset – hat nicht angefangen. Deutschland ist in dieser Hinsicht weiter gegangen. Warum ist es so? Wie ist es möglich? Ist unsere Mentalität so verschieden? Ist die Situation in Deutschland viel schlimmer? Oder sind wir nur fauler, mehr komfortabel und noch heute relativ zufrieden mit dem – bis zur COVID-Ära wachsendem – Lebensniveau, das sich schon in der Nähe des EU-Durchschnittes des per Capita Brutto Sozialproduktes befindet?
Ich bin mir nicht sicher. In jedem Fall ist es mir – nach schon fast 35 Jahren – klar, dass die existierenden kommunistischen Erinnerungen noch heute unser Benehmen, unsere Gefühle und unsere gegenwärtigen Reaktionen stark beeinflussen. Und dazu gehören – und die spezifische Rolle spielen – die Erinnerungen an die sowjetische Okkupation in der Ära des Prager Frühlings von 1968.
In Deutschland war die Vergangenheit anders. Zum Glück habt ihr einen fast „controlled Experiment“ zur Verfügung – die Entwicklung in West- und Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Die letzten europäischen Wahlen demonstrierten überzeugend, dass die Unterschiede der dortigen Entwicklungen und Erinnerungen auch noch heute wichtig sind.
Die Tschechische Republik hat kein Osttschechien. Wir hatten keinen reichen oder reicheren Bruder, der uns ermöglichen würde, die absolut notwendige Systemveränderung ohne grundsätzliche Transformation zu machen. Das hat uns geholfen. An dem wichtigen Prozess der fundamentalen Transformation mussten wir uns alle beteiligen, was für uns sehr wichtig und belehrend war.
Zu meinem heutigen Thema muss ich gleich am Anfang um Entschuldigung bitten. Wie ich jetzt sehe, war es von mir ein übertriebener Mut oder vielleicht eine enorme Unverantwortlichkeit, den Vorschlag von Oliver Gorus zu akzeptieren, hier, zu diesem Publikum, über Deutschland und über die Zukunft Deutschlands zu sprechen. Er wollte sogar meine Vorschläge hören, was mit Deutschland zu tun ist.
So etwas kann ich Ihnen nicht anbieten. Meine Kenntnisse Ihres Landes sind ungenügend. Ich sehe Deutschland nur von außen. Ich war hier mehrmals, aber nie länger als zwei drei Tage. Auch meine Kenntnisse der deutschen Sprache sind nicht ausreichend.
Trotzdem hoffe ich, dass meine Erfahrungen von der kommunistischen Ära, meine aktive Rolle in der Transformation der tschechischen Gesellschaft nach dem Fall des Kommunismus und meine politischen Aktivitäten in unserem Land und auf der europäischen Ebene während der ganzen postkommunistischen Ära relevant sind. Es gibt mir die Möglichkeit Deutschland aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Ich bin auch überzeugt, dass Deutschland – trotz aller spezifischen Aspekte und charakteristischen Eigenschaften – mehr oder weniger dieselben Entwicklungen wie alle anderen westlichen Länder durchgeht. Ich werde mich bemühen, diesen Blickwinkel maximal auszunützen.
Einer Sache bin ich mir sicher: unsere kommunistische Erfahrung wird für das Verständnis der heutigen westlichen Gesellschaft immer wichtiger zu sein, weil sich Westeuropa (und Amerika) in die Richtung einer kontrollierten, von oben administrierter Gesellschaft allmählich entwickeln. Wir – ich meine die Menschen in Mittel- und Osteuropa – haben in der kommunistischen Ära nicht nur die Zeit verloren, sondern auch etwas Wichtiges gelernt, was die Westeuropäer, die solche tragischen Erfahrungen nicht hatten, nicht lernen konnten. Wir, oder manche von uns, sind zur heutigen westlichen Welt kritischer als die Westeuropäer.
Eine so massive, so feindliche und so arrogante Durchsetzung der progressivistichen, globalistischen, konstruktivischen, linksorientierten Tendenzen und Entwicklungen haben wir nach dem Fall des Kommunismus nicht erwartet. Wir konnten uns etwas Ähnliches nicht einmal vorstellen. Die Tragödie und Ineffizienz der Unfreiheit waren allen klar.
Deshalb hatten wir ganz andere Pläne und Träume, als die post-demokratische Gesellschaft zu schaffen. Wir wollten eine freie Marktwirtschaft im Sinne von Mises und Hayek – wie ich immer sage, Marktwirtschaft ohne Adjektive, was die Deutschen nicht gern hören – und wir wollten eine klassische pluralistische, parlamentarische Demokratie mit ideologisch klar definierten politischen Parteien einführen. Jedenfalls nicht die heutigen post-demokratischen EU-Arrangements – die Zentralisierung der Entscheidungsprozesse in Brüssel, das Spiel am Parlamentarismus im Europäischen Quasiparlament, den Sieg der progressivistischen Ideologie über die Rationalität und gesunde Vernunft der normalen Menschen, die Unterdrückung und Begrenzung der Marktwirtschaft, etc.
Heute sind wir Zeugen und ungewollte Teilnehmer einer fundamentalen Neugestaltung der westlichen Gesellschaft im Sinne des Progressivismus, Environmentalismus, Genderismus, Multikulturalismus und anderer ähnlichen, für mich extremen ideologischen Ambitionen. Jeder von diesen Ismen braucht eine seriöse Debatte. Und eine resolute Ablehnung. Alle gehören zu der linken Seite der ideologischen Barrikade.
Diese Tendenzen zu bremsen, ist die wichtigste Herausforderung der Gegenwart. Bei uns, hier in Deutschland und im ganzen Westen. Ich vermute, dass gerade deshalb manche von uns heute da, in diesem Saal, sitzen. Man kann keine sinnvollen und wirkungswollen Veränderungen planen und realisieren, ohne diese Ismen zu besiegen. Es ist wie im Kommunismus. Damalige Regierung wollte auch permanent etwas ändern und verbessern, ohne Veränderung der Basis war es aber unmöglich. Die Teilreformen sind nicht genügend, die Transformation (oder der Regimewechsel) ist wieder notwendig.
Die Menschen wie ich haben die Substanz der Debatte über Freiheit (und Unfreiheit), über freie oder kontrollierte Gesellschaft durchlebt, nicht nur theoretisch studiert. Die Ähnlichkeiten zwischen der heutigen Welt und der Welt der spätkommunistischen Ära fühlen wir sehr intensiv. Diese Tendenzen sind, glaube ich, für alle, die offene Augen haben, gut sichtbar.
Man kann heute wieder nicht mehr freisprechen, man muss um seine Karriere, seine Familie, seine Freiheit, manchmal sogar um sein Leben fürchten. Wir leben in einer monoideologischen Ära der so genannten liberalen Demokratie, in der die Freiheit nicht an der ersten Stelle steht. Die Freiheit wird ironisiert, andere „Errungenschaften“, andere Werte, sind im Vordergrund. Wieder leben wir in einer Ära der intellektuellen Konformität, in der eine dominierende Ideologie herrscht. Man sieht zwar Doktrinen mit verschieden Namen, aber ihre Substanz ist fast identisch – die Freiheit der Menschen zu eliminieren, die „Brave New World“ von oben regulierter Gesellschaft zu konstruieren. Wir sollten nicht passiv bleiben. Auch kleine Schritte sind wichtig. Wie ich aber sagte, sie sind nicht ausreichend.
Was ich sage, ist nichts Neues. Das alles ist bekannt und wird schon seit Langen diskutiert. Trotzdem geht diese Entwicklung ungebremst weiter, als ob alle damit einverstanden und zufrieden wären. Trotz Hunderter von Konferenzen wie die heutige in Stuttgart. Es gibt nur eine schwache, nicht vereinigte politische Opposition, die mehr um Details kämpft als um die Hauptbausteine der heutigen westlichen Gesellschaft. Und – auf der anderen Seite – steht eine gut organisierte politische und mediale Macht, die die heutige Welt organisiert.
Wie ist es geschehen? Der bekannte schweizerische Journalist Roger Köppel schrieb Mitte Juli in der Weltwoche folgendes: „Die USA sind heute das Epizentrum dieser pseudoreligiösen Pervertierung nicht nur der Politik, sondern aller Lebensbereiche bis in die Kultur und den Sport.“ Damit bin ich einverstanden, aber die Rolle Europas sollten wir nicht unterschätzen.
Die heutige politische und soziale Realität im Westen – und besonders in Deutschland – ist eine Verwirklichung der Ideen der sechziger Jahre und der damit verbundenen Denkarten und Weltanschauungen. Sie sind in Deutschland tiefer verankert, es scheint mir, als in anderen westlichen Ländern – mit der möglichen Ausnahme von Amerika.
Die Hauptideen, die jetzt die wichtigste Rolle spielen, sind zu uns nicht von außen zu uns gekommen. Es geht nicht um einen Ideenimport von einem anderen Kontinent oder einer anderen Zivilisation. Es wurde hausgemacht. Die Rolle der deutschen Sechzigerjahre habe ich schon erwähnt. Dort liegt für mich der wirkliche Anfang – die Frankfurter Schule, die grüne Ideologie, der Feminismus, die Ereignisse von 1968, Rudi Dutschke, usw.
Wie ich sagte, die Entwicklungen in Amerika und Großbritannien waren wichtig, aber die größte Schuld sehe ich jetzt in Europa, und besonders in der postdemokratischen Form der europäischen Integration, die zum unverantwortlichen Kontinentalismus und zur Liquidierung des Nationalstaates führt. Die heutige EU, ich meine nach Maastricht und Lissabon, die ich Unifikation, nicht Integration nenne, ist ein postdemokratisches Konstrukt, das mit der Freiheit und Demokratie nichts zu tun hat. Demokratie braucht einen Staat und mit dem Nationalstaat verbündetes Volk. Einige sagen Demos, es klingt mehr sophisticated. Wir alle wissen, dass es in Europa kein Demos, kein Volk gibt. Das haben die diesjährigen Europawahlen klar demonstriert.
Als ein Volkswirt sollte ich an die Volkswirtschaftslehre hinweisen. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) benutze ich nicht gern die vereinfachten Analogien mit der kommunistischen Ära, mit Zentralplanung, mit der Planwirtschaft. Viel genauer und mehr passend finde ich z.B. die Terminologie von Walter Eucken, Freiburgerschule und Ordoliberalismus, der über die zentraladministrierte Wirtschaft der Nazizeit sehr originell geschrieben hat. Seine Schriften haben wir schon vor 50-60 Jahren, während des Kommunismus, studiert. Deshalb weiß ich, dass wir heute nicht geplant sind. Wir sind „nur“ administriert. In beiden Fällen ist die Freiheit weg.
Ich habe bereits den Multikulturalismus, der mit Massenmigration sehr eng verbunden ist, erwähnt. Multikulturalismus ist die ideologische Unterstützung und Deckung der Massenmigration.
Die, von Multikulturalismus stammende heutige Massenmigration, die für uns in Europa von existenzieller Bedeutung ist, betrifft die Basis unserer Gesellschaft. Das wissen sie in Deutschland sehr gut. Die Massenmigration ist kein Randphänomen. Sie ist nicht vom Himmel gefallen. Sie wurde lange Zeit ideologisch vorbereitet und war und ist pragmatisch organisiert. Mein Hauptargument sagt: die Massenmigration haben nicht die Migranten, sondern die europäischen Politiker verursacht. Nur deshalb sind die Migranten da. Das Benehmen dieser Politiker ist nicht überraschend. Die europäischen Politiker brauchen die Migranten. Sie wollen aus den heutigen Migranten einen neuen europäischen Menschen, einen homo bruxelarum, schaffen. Er wird die authentische europäische, oder vielleicht neueuropäische Mentalität und Instinkte haben. Mit uns können sie das nicht schaffen.[1]
Die fatale Rolle spielt heute auch die grüne Ideologie, der Environmentalismus (oder für einige Ökologismus), der mit dem Umweltschutz schon lange Zeit nichts mehr zu tun hat. In der Tschechischen Republik haben wir lange Zeit die Ideologie der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung belächelt, heute haben wir den Green Deal, zusammen mit Ihnen.
Wir sollten eine neue Runde der Debatte über die Rolle von CO2-Emissionen für die globale Erwärmung anfangen. Die grünen Fanatiker sagen, dass „science is settled“, dass die Wissenschaft abgeschlossen ist, was im Prinzip apriori falsch ist, aber in diesem Fall ist es auch zum Lachen. Was abgeschlossen sein kann, ist die Hypothese über den linearen oder vielleicht sogar exponentiellen Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und globaler Erwärmung, auf dem die Substanz der heutigen politischen Entscheidungen steht und basiert. In, einem im Juli 2024 publizierten Aufsatz schreibt Prof. Vahrenholt ganz überzeugend, dass „die aussergewöhnliche Erwärmung der letzten Jahre im Wesentlichen auf den El Nino, den Vulkanausbruch Hunga Tonga 2022 sowie die erhöhte Durchlässigkeit der Wolken für die Solareinstrahlung zurückzuführen ist.“
Das alles ist für einige von uns bekannt. Über die Grünen, über den Environmentalismus und den Wahnsinn der Doktrin der globalen Erwärmung habe ich vor 17 Jahren ein Buch mit dem Titel „Blauer Planet in grünen Fesseln“ geschrieben, das in 18 Fremdsprachen veröffentlicht wurde. Ich kann fast nichts Neues darüber hinaus sagen. In diesen 17 Jahren habe ich die Motivation verloren, die notwendigen Argumente zu wiederholen. Die Politiker hören sie nicht, weil sie sie nicht hören wollen. Sie brauchen diese falsche Doktrin – wie den Multikulturalismus – um uns zu manipulieren.
Man sollte hier heute auch die Ukraine erwähnen, denn der Ukrainekrieg blockiert jede vernünftige Diskussion über allen anderen Themen. Ukraine ist zu einem Schlachtfeld für geopolitische Interessen geworden und dieser Krieg hat zu einer gefährlichen Spaltung der westlichen Gesellschaften geführt. Und wir wissen, dass eine gespaltene Gesellschaft unsicher und labil ist.
Die Debatten zu diesen Themen in Deutschland, sehe ich nicht regelmäßig, ich habe aber das Gefühl, dass die Politiker sie nicht hören und nicht lesen. Leider können sie sich das erlauben. Sie immunisierten sich von jeglicher Kritik mit verschiedenen heterogenen Regierungskoalitionen und Mehrheiten, die uns an alte Volksfronten erinnern.
Man kann dazu viel mehr sagen. Aber meine Rede war schon zu lang. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für die Organisierung des heutigen Treffens.
[1] Jetzt haben wir aber nicht nur die alte Migration. Wir haben auch eine neue Migration, die mit dem ukrainischen Krieg zusammenhängt. Diese Migration fühlen die Deutschen bestimmt auch, die Situation in Mittel- und Osteuropa ist jedoch viel dramatischer. Meine Heimat, die Tschechische Republik, ist Nummer eins in der ganzen Welt in der Anzahl von ukrainischen Migranten pro Kopf (per capita).
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