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Deutsche Seiten, 3. 7. 2007
Auf dem aktuellen EU-Gipfel in Brüssel kommt es zu einer bedeutenden Entscheidung bezüglich der europäischen Zukunft. Die deutsche Präsidentschaft, gestärkt durch den neuen französischen Präsidenten, wird erhebliche Anstrengungen unternehmen, um zu einer baldigen Verabschiedung einer europäischen Verfassung beizutragen. An dieser Stelle sollte man kurz rekapitulieren. Nach dem französischen und niederländischen „Nein“ hat Europa viel Zeit damit verschwendet, indem das Thema nicht diskutiert wurde (obwohl eine „Phase der Reflexion“ angekündigt wurde) und man sich gegenseitig mit der Behauptung beruhigte, Franzosen und Niederländer hätten nicht gewusst, worüber sie abstimmen.
Die Ablehnung des Verfassungsentwurfs wurde mit der Unzufriedenheit der „alten“ Europäer über die EU-Erweiterung um die neuen Mitglieder (die die gute alte EU verderben) sowie mit den Befürchtungen erklärt, dass eine EU mit 27 Mitgliedsstaaten nicht auf der Basis alter Regeln handeln und funktionieren kann – obwohl offensichtlich ist, das sie ganz normal funktioniert. Hauptsächlich ging es jedoch – bis auf ein paar Ausnahmen – nicht um eine ernsthafte Diskussion der Verfassung. Es ging im Gegenteil um die Verschleierung ihrer Essenz, die einzig und allein in einem weiteren schwerwiegenden Schritt Richtung Vertiefung, Politisierung und Unifizierung der EU besteht und der zu einer Marginalisierung der Bürger und einzelner, vor allem kleinerer Mitgliedsländer führt.
Als Ergebnis gibt es nun Vorschläge, bestimmte provozierende Wörter zu vermeiden – einschließlich des Begriffes Verfassung, der traditionell ein Staatswesen symbolisiert. Seine Verwendung im Titel dieses Dokumentes deutete an, dass es um die Bildung eines neuen Staates auf Kosten der existierenden ging. Diese Symbolik ist wirkungsmächtig, und das Vermeiden des Begriffes wird als Sieg derjenigen begriffen werden, die gegen die Entstehung eines europäischen Superstaates sind. Es ist jedoch zu befürchten, dass dies ein Pyrrhus- Sieg ist. Es wird nur kosmetische Änderungen geben, und die Kernaussage des Dokumentes bleibt. Es gibt triftige Gründe zu der Annahme, dass genau das geplant wird.
Vor allem droht, dass die Debatte in Brüssel in einem falschen Stil geführt wird, vor allem „horizontal“, also zwischen den Ländern, über die Abstimmungsprozeduren und über die so genannte qualifizierte Mehrheit. Die ursprüngliche Organisation der europäischen Integration basierte richtigerweise auf dem Gedanken der Einstimmigkeit, weil in einer internationalen Gemeinschaft nicht die Optik eines Parlamentes gelten kann und ein Staat niemals die Möglichkeit haben darf, einen anderen zu überstimmen.
Deshalb sind alle Varianten von Mehrheitsentscheidungen schlecht und für einen wirklichen Demokraten unakzeptabel. Demokratie ist ein langwieriges Geschäft. Das Suchen nach einem für alle akzeptablen Kompromiss ist oft schwer, aber unvermeidlich. Darüber hinaus ist es ein großer Irrtum, das Problem der Demokratie in Europa auf den Konflikt zwischen großen und kleinen Staaten zu reduzieren, und es ist schade, dass das die kleinen Staaten nicht wissen.
Das Problem der Demokratie ist ein „vertikales“ Problem, es betrifft das Verhältnis des Einzelnen zu den Organen über ihm. Im Übrigen war das immer das Thema aller Verfassungen. Sie beschäftigen sich in erster Linie nicht mit dem Verhältnis der Zentralregierung zu den Kreisen (Provinzen, Regionen, wie sie in den unterschiedlichen Ländern auch immer heißen mögen), sondern mit der Beziehung des Menschen zur Regierung. Eine verifizierte Hypothese lautet, dass es umso besser ist, je näher die „Regierung“ ist. In diesem Sinne gibt es keinen Zweifel darüber, dass die aktuelle Variante der europäischen Verfassung die Entscheidungen vom Bürger entfernt.
Eine zweite verifizierte Hypothese besagt, dass es umso besser ist, je weniger Kompetenzen die Regierung hat, um über den Bürger zu bestimmen. Auch in diesem Punkt gibt es in der europäischen Verfassung keine Bremsen, keine Schutzmechanismen der Menschen gegenüber den politischen Strukturen auf allen Ebenen. Im Gegenteil, einiges wird hinzugefügt, einiges wird auf höheren Ebenen (also weiter vom Bürger entfernt entschieden und vor allem ermöglicht sie keine Rückkehr auf die niedrigere Ebene, wo sich eine eventuelle Änderung des Systems durch politische Aktivität einfacher durchführen lässt. Aus allen diesen Gründen sollte man in Brüssel zur europäischen Verfassung und ähnlichen Dokumenten, die nur anders heißen werden, „Nein“ sagen. Vor allem darf nicht zugelassen werden, dass dieses „neue“ Dokument ohne Referendum verabschiedet wird. Es ist zumindest gut, dass die Einwände der tschechischen Regierung in diese Richtung gehen. Bleibt zu hoffen, dass sie diese mit Entschlossenheit geltend macht.
Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitung „Hospodářské noviny“
Václav Klaus, Prager Zeitung 21. Juni 2007
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