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Deutsche Seiten, 3. 2. 2020
Ich bedanke mich für die Einladung in den HN-Club. Wenn ich mich nicht irre, trat ich beim Diskussionsforum der Zeitung Hospodárské noviny schon einmal, im September 2015, also schon fast vor fünf Jahren auf. Mein damaliges Thema war „Die Lehre aus der griechischen Krise für ein kleines post-kommunistisches Land“. Dieser Text steht bestimmt irgendwo zur Verfügung, eventuell auch auf meiner Webseite (www.klaus.cz).
Ich befürchte, dass ich dieses Thema heute nicht treffender zum Ausdruck bringen könnte. Zu den allgemeinen Erwägungen über die Europäische Union habe ich damals versucht auch einige ökonomische Charakteristiken der Slowakei zu formulieren, so, wie ich diese als ein Außenstehender betrachtete. Nun habe ich diese meine damaligen Erwägungen aufmerksam durchgelesen und habe nicht den Eindruck sie überschreiben zu müssen. Das steht aber nicht im Mittelpunkt meines heutigen Auftrittes.
Meinen heutigen Auftritt habe ich „Europa, bzw. Europäische Unionˮ benannt. Eine genaue Differenzierung dieser zwei Worte betrachte ich als notwendig. Eine Sache ist das vor mehr als sechs Jahrzehnten revolutionsartig gebildete Konstrukt der Europäischen Union, die andere ist eine durch die langen Jahrtausende gebildete Zivilisation des europäischen Kontinents. Das sind wahrhaft zwei völlig andere Sachen, was die heutige EU-Repräsentanz, und mit ihr auch die europäischen politischen, akademischen und journalistischen Eliten, nicht wahrnehmen wollen.
Die Entwicklung der europäischen Gesellschaft wurde im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende langsam, nicht linear, wiederholt durchbrochen, jedoch stimme ich mit der Aussage des Professors Elst, aus dem Jahre 1991, überein, dass „Die europäische Geschichte im Grunde ein Prozess der Ablehnung supranationaler und dynastischer Staaten war – wie das Osmanische Reich, das Habsburger Kaisertum, Napoleons Imperium, Hitlers ewigen Reichs und Stalins kommunistischem Projekt.“ Ich verstehe es so, dass diese Entwicklung ein Bemühen um die Beseitigung der Dynastien und Reiche war, die die menschliche Freiheit und authentische Demokratie nicht ermöglichten.
Die heutige Ära der europäischen Unifizierung in der Form der Europäischen Union (zum Unterschied von den ersten drei Jahrzehnten des weit wenig ehrgeizigen, europäischen Nachkriegsprozesses in der Form der Europäischen Gemeinschaft) betrachte ich als eine verhängnisvolle Unterbrechung dieser, obgleich nicht einfachen und nicht eindeutigen, europäischen Entwicklung.
Ich weiß, dass ich mit dieser Betrachtung der Europäischen Union in der Minderheit bin, jedoch kann ich nicht anders. Es drückt meine Ideen, Ideale, Präferenzen und Prioritäten aus. Mir geht es um die Freiheit und Demokratie, und die sind mit dem supranationalen (oder transnationalen) Konstrukt in der Substanz nicht kompatibel.
Das gilt allgemein und langfristig. Was passiert gerade jetzt? Was kann man über die kurz- und mittelfristige Dynamik sagen? Welche gegenwärtigen Tendenzen und Trends gibt es in der europäischen Veranstaltung? In meinen Augen nehmen sie keine positive Entwicklung.
In den vorletzten zwei Dekaden – 1990 bis 2010 – waren diese Trends ganz eindeutig in die Richtung Unifizierung. Ich spreche hier von der Entwicklung in Europa, nicht von der Entwicklung in seinem östlichen postkommunistischen Teil. Der Ausdruck dieser Trends war im Jahre 1992 der Maastricht Vertrag und im Jahre 2009 der Lissabonner Vertrag. Diese beiden Verträge führten zur maßgeblichen Beschleunigung der europäischen Unifizierungs-Bewegung, die zum Transnationalismus führt. Den ersten Vertrag haben wir nur wenig wahrgenommen, da wir in dieser Zeit andere Probleme lösen mussten und unsere Mitgliedschaft in der EU war noch weit über dem Horizont. Auf der einen Seite haben wir uns mit der postkommunistischen Transformation befasst, und auf der anderen Seite haben wir uns mit dem eigenen staatsrechtlichen Problem beschäftigt.
Zu dem Zweiten hat unlängst, eher ironisch, obwohl ein bisschen unklar, Milan Lasica bemerkt, dass man mir für die Teilung der Tschechoslowakei ein Denkmal errichtet werden soll. Ich muss auf dem beharren, dass ich mir gut vorstellen könnte, auch weiterhin in der tschechoslowakischen Konföderation leben zu können. Für die Geschichte, um es nicht zu vergessen, muss ich betonen, dass auf der slowakischen Seite damals kein politisch relevanter Partner war, der einer ähnlichen Meinung gewesen wäre und der die slowakische Selbstständigkeit nicht wollte. Ich habe diese Realität „nur“ respektiert. Ich wollte weder einen Konflikt noch das Chaos.
Diesen zweiten, Lissabonner Vertrag, hat die Mehrheit unserer Mitbürger zwar erlebt, unterschätzte ihn jedoch kläglich. Sie war nicht bereit mindestens ein Minimum der Zeit dem zu widmen, um festzustellen, was in diesem Vertrag versteckt ist. Um also festzustellen, dass es sich um eine radikale Verschiebung der europäischen Integration (die die bessere und tiefere internationale Zusammenarbeit bedeutete) zur Unifizierung (also zum supranationalen Regieren) und zur Auslöschung der Nationalstaaten als des Ausgangsprinzips der internationalen Ordnung unseres Kontinents handelt.
Es ist ausreichend bekannt, dass ich die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages lange Zeit, allein, auf die Don Quichotte-Art, gebremst habe, jedoch nicht abbremsen konnte.
Die Zeit nach dem Lissabonner Vertrag brachte einige Krisen, die dieses Unifizierungsmodell grundsätzlich in Frage gestellt haben. Ich erwähne mindestens drei davon:
- Es wurde der Euro in Frage gestellt. Die Krise aus den Jahren 2008-2009 hatte dramatische Folgen auf die Staatshaushaltsposition einer Reihe der Euroländer, nicht nur auf Griechenland. Kurzzeitig wurden diese Probleme durch die Finanzhilfe aus den Haushalten der anderen Euroländer „gelöst“ (also von dem Geld deren Steuerzahler), die wahren Ursachen dieser Krise – der dubiose Konstrukt der gemeinsamen europäischen Währung – sind jedoch ohne jegliche Lösung geblieben.
- Die Migrationskrise, die den Höhepunkt durch die Massenmigration im Jahre 2015 erreichte, bedeutete eine grundsätzliche Erschütterung einer weiteren EU-Säule, von Schengen. Die EU löst diesen seinen Defekt nach wie vor nicht, dieser wird nur weiter nach vorne gerollt.
- Die Krise war auch die Entscheidung der britischen Wähler, der sogenannte Brexit, die eine klare Nachricht war, dass eines der größten EU-Länder nicht auf ewig die Entscheidungen über sich selbst nach Brüssel übergeben will, dass es wieder ein souveränes Land sein will. Dies führte zur starken Wahrnehmung dieser Lage auch in den anderen Ländern.
Jede von diesen Krisen signalisierte die grundsätzlichen Probleme der transnationalen Weltanschauung, die die europäischen Eliten beherrscht hat und die durch die Verankerung in dem Lissabonner Vertrag zur Definitionscharakteristik der EU wurde. Die europäischen Eliten konnten diese Krisen nur dank dessen „überstehen“, dass in der EU jegliche Rückmeldung fehlt, dass jeglicher direkte Kontakt der europäischen Eliten mit den Bürgern und Wählern fehlt, dass wir in die Postdemokratieära eingestiegen sind, die durch die Fiktion des Europäischen Parlamentes symbolisiert wird, das kein wahres Parlament ist. Wir erleben die gestärkte Indoktrinierung der Bürger der EU-Mitgliedsstaaten mit dem hohlen europäischen Gedanke und das vernichtende Diktat der politischen Korrektheit - also die Zeit der mangelnden Freiheit. Stabilisierend wirkt dagegen die Fortsetzung des relativen europäischen Wohlstandes (obwohl eine Reihe von Euroländern schon eine lange Zeit kein Wachstum vorweist).
Was ist in der absehbaren Zeit zu erwarten?
1. Ich sehe keine reale politische Kraft, die willig und fähig wäre jegliche bedeutende Änderung der Ideologie des Europäismus zu verfolgen (oder sogar zu durchsetzen).
2. Das institutionelle System der Europäischen Union schließt jegliche Systemänderung aus seiner Substanz heraus aus.
3. Das neue Europäische Parlament und die neue Europäische Kommission sind mit seinen Ambitionen schlimmer als die alten (Juncker versus von der Leyen).
4. Ich glaube an die Festigkeit und Kraft der Visegrad-Länder nicht, diese Gruppierung besteht heute, dank der innenpolitischen Entwicklung in den einzelnen Mitgliedsländern, faktisch fast nicht mehr.
5. Ich setze eine Verstärkung des Diktats der nichtdemokratischen, jedoch nichtkommunistischen Ideologien der postkommunistischen Ära voraus:
- an erster Stelle der grünen Ideologie, deren neue Qualität der Umschlag des ursprünglichen Umweltgedankens in den aggressiven Enviromentalismus verursachte;
- des Progressivismus (oder des kulturellen Marxismus), der den traditionellen Konservatismus und Sozialdemokratismus ersetzte. Dies beginnt die grundsätzliche Bremse jeglichen Fortschreitens Europas (und des ganzen Westens) nach vorne zu sein;
- des Humanrightismus, der die Idee im Grunde genommen nur negativ definierten Bürgerrechte durch positive Menschenrechte ersetzte. Das bildet eine Anspruchsgesellschaft;
- und letztendlich des Multikulturalismus, der anstatt des Respekts zur traditionellen Verteidigung der Bedeutung der Homogenität jeglicher nationalen Gesellschaften eine maximale Diversität fordert, die zur heterogenen Gesellschaften führt.
Václav Klaus, Die Rede in den HN-Club, Hotel Carlton, Bratislava, 28. Januar 2020
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