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Václav Klaus für Münchner Merkur: Europa ist ein post-demokratisches Gebiet

Deutsche Seiten, 28. 1. 2015

München - Václav Klaus war sowohl Ministerpräsident (1992 bis 1998) als auch Präsident (2003 bis 2013) von Tschechien. Heute beobachtet der 73-Jährige das politische Geschehen aufmerksam - und scheut sich nicht vor klaren, teils provokanten Aussagen. Zuletzt bekam der Mann, der Margaret Thatcher und Ronald Reagan als Vorbilder nennt, viel Ärger, weil er nicht Russland, sondern EU und Nato hinter der Eskalation in der Ukraine vermutet. „Die Lügen des Westens über Russland sind monströs“, hatte er erklärt. Auch zum Euro hat der Ökonom Klaus eindeutige Thesen – wie das Interview mit dem Münchner Merkur beweist, das im Münchner Ifo-Institut geführt wurde.

Herr Klaus, Sie gelten ja als Euroskeptiker...

Diese Bezeichnung kann ich nicht akzeptieren. Ich finde, man kann nur von Euro-Realisten und Euro-Naivisten sprechen. Ich sehe mich als Realisten – die Naivisten sitzen in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten.

Schön, dann würden wir Sie um ihre realistische Sichtweise der Griechenland-Wahl bitten.

Griechenland hätte nie der Eurozone beitreten dürfen. Das war ein tragischer Fehler von Griechenland, aber auch von den anderen europäischen Ländern. Das ist wie ein Trabant und ein Mercedes – die Ersatzteile passen einfach nicht zusammen. Griechenland hat dafür schon genügend bezahlt. Wenn es nicht auf Jahrzehnte im jetzigen Zustand verharren will, bleibt nur eine einzige Möglichkeit: die Eurozone so schnell wie möglich zu verlassen.

Wie sieht Ihr Szenario aus, wenn Griechenland die Eurozone verlässt?

Die Antwort ist sehr einfach. Ich bin da praktisch Spezialist – denken Sie an unseren Prozess damals nach dem Ende der Tschechoslowakei. Die währungstechnische Trennung der Tschechischen Republik von der Slowakei war überraschend einfach, man muss es nur richtig organisieren. Es war eine ganz normale Entwicklung. Und so wird es auch in Griechenland sein.

Frau Merkel sagt: Wenn der Euro scheitert, dann scheitert Europa.

Da liegt sie zu 100 Prozent falsch. Diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.

Wird Ihr Land irgendwann dem Euro beitreten?

Das weiß ich nicht. Ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass wir keinen Euro haben. Ich kann aber nicht ausschließen, dass die heutigen Politiker diesen Fehler bald machen. Europa ist ja heute schon ein post-demokratisches Gebiet.

Wie bitte?

Ja. Und auch post-politisch. Das hat nicht direkt mit dem Euro zu tun. Seit dem Maastricht-Vertrag verschärft sich das jedes Jahr.

Trotzdem dürfen die Bürger noch ein wenig mitreden. Wie jetzt in Griechenland. Ist dort auch die Politik der Austerität, die Sparpolitik von Angela Merkel, abgewählt worden?

Ich bin keiner, der Angela Merkels Politik verteidigen wollte. Aber die Austerität ist wahrlich kein Werk von Angela Merkel – auch wenn die Griechen das anders sehen.

Haben Sie das Gefühl, dass Deutschland insgesamt aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke in Europa immer unbeliebter wird? Griechenland, Italien, Spanien. . .

Auf der einen Seite schon. Auf der anderen Seite haben all diese Länder damals den Fehler begangen, sich mit der D-Mark auf eine Stufe zu stellen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Deutschland ist der Gewinner des Euro-Mechanismus. Es bekommt viel mehr, als es gibt.

Das sehen die Deutschen aber ganz anders.

Ja, das ist ein Fehler in Ihrer Wahrnehmung. Der Wechselkurs des Euro ist für Deutschland so unterbewertet wie für China der Renminbi. Alle kritisieren dafür China, aber eigentlich sollten sie lieber Deutschland kritisieren.

Die EZB will für hunderte Milliarden Euro Staatsanleihen kaufen. Was halten Sie davon?

Ich bin für eine freie Marktwirtschaft. Nicht für die Umsetzung einer super-keynesianischen Theorie.

In Deutschland gibt es eine neue Bewegung: Pegida. Wie wird das in Prag gesehen? Fürchtet man sich davor?

Ich habe davon gelesen, mich aber nicht mit den Details oder der Wortwahl der Reden beschäftigt. Diese Bewegung scheint ein paar falsche Töne zu haben. Doch sie ist wichtig. Sie zeigt die Irrationalität der deutschen und europäischen Politik der massiven Immigration. Der Multikulturalismus ist die tragische Entwicklung Europas.

In ganz Europa ist ein Erstarken der rechten wie linken Ränder zu sehen. Wird das nicht ein Problem?

Möglich. Aber das hat ja auch Gründe. Ich nenne das, wie gesagt, post-politisch. Die Eliminierung von Politik.

Was meinen Sie damit? Das Verschwinden von Ideologien?

Richtig.

Ist Politik zu pragmatisch?

Nein, pragmatisch kann man das wahrlich nicht nennen.

Aber unsere Politiker haben doch eine Ideologie. Sie behaupten: Zuwanderung hilft uns.

Wenn Sie diese Frage so stellen, sind Sie selbst ein Opfer des Multikulturalismus. Ich habe nichts gegen Immigration als Einzelfall. Aber diese massiven Ströme wurden künstlich und politisch gemacht. Daran ist auch die soziale Marktwirtschaft schuld – die Menschen kommen ja auch wegen der Sozialleistungen, die hier gezahlt werden. Deutschland sollte zum freien Markt zurückkehren.

Georg Anastasiadis und Mike Schier, Münchner Merkur, 28. 1. 2015

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