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Deutsche Seiten, 25. 5. 2013
Es ist für mich wirklich eine Freude und Ehre meine Position zu der laufenden Debatte über Klimawandel wieder einmal hier, in Dresden, präsentieren zu dürfen. Vielen Dank für diese Gelegenheit. Schon einmal habe ich eine Debatte zu diesem Thema in Ihrer Stadt geführt. Das war im Dezember 2007, als ich hier mein Buch „Blauer Planet in grünen Fesseln“[1] präsentierte. Damals wurde ich von meinem guten Freund, dem Ministerpräsidenten Milbradt, furchtlos verteidigt, als sich das Publikum zu meinen Ausführungen aggressiv und mit ostentativer Feindschaft äußerte. Er ist heute nicht da. Wer wird mir solchen Schutz heute bieten?
Mein Buch zum Thema des Missbrauchs der Hypothese der von Menschen verursachten Klimaänderungen für eine weitreichende Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft hat manche Zuhörer meiner damaligen Rede, welche in der Landesbibliothek veranstaltet wurde, zu sehr unfreundlichen Protesten motiviert. Das habe ich im Ausland nie erlebt. Schon damals hatte ich aber das gute Gefühl, daß die stille Mehrheit im Saal mehr oder weniger an meiner Seite stand. Heute ist es im Europa und besonders in Deutschland besser. Diese Mehrheit ist nicht mehr so still. Der Unterschied ist spürbar und sichtbar.
Dieses Thema ist für mich eine außerordentlich wichtige und höchst persönliche Sache, die mich immer mehr beunruhigt. Deshalb mein Einsatz und mein Engagement in der gegenwärtigen Debatte, die zur Politik, und mehr zum Bereich der Sozialwissenschaften als der Naturwissenschaften gehört.
Das Buch oder vielleicht Büchlein mit den Beiträgen zu Ihrer vorjährigen Konferenz, die ich von Ihnen bekommen haben, habe ich mir als Hausaufgabe fleißig und sorgfältig durchgelesen. Ich bin zu dem unangenehmen Schluß gekommen, daß dieses Publikum schon alles weiß und von mir nichts Neues erwarten kann. Die politische Einführung zu der Debatte von dem Euroabgeordneten Holger Krahmer und besonders die überzeugende Rede von Prof. Löschke sind absolut klar für alle, die bereit sind, sich die Debatte ohne aprioristische Vorstellungen anzuhören. Am Ende meiner Rede werde ich mir trotzdem erlauben, ein paar kritische Bemerkungen zu den Ansichten von zwei anderen vorjährigen Rednern, von Prof. Sturm und Dr. Peiser zu machen.
Im Fall des Klimaalarmismus sind wir Zeugen der Entstehung einer ganz neuen, linksorientierten Ideologie. Meine Einstellung dazu ist relativ gut bekannt und schon lange Zeit unverändert. Wie ich es sehe, in dieser Ideologie, im Environmentalismus (oder Ökologismus), nicht im Klimawandel, ist eine neue Gefahr für die Menschheit herangewachsen.
Wenn ich im Titel meines schon sechs Jahre alten Buches geschrieben habe, dass ich in der heutigen Welt die „grünen Fesseln“ sehe, war das meinerseits keine Übertreibung. Für mich war das keine billige Metapher. Meine Antwort zu der Frage, die im Untertitel meines Buches steht: „Was ist bedroht – Klima oder Freiheit?“, war und ist resolut. Es ist die Freiheit, es ist die heute dominierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die gegenwärtige Zivilisation, die heutige Prosperität der entwickelten Länder und besonders die heutige Chance der unterentwickelten Länder, ein ähnliches Niveau zu erreichen. Zusammengefasst, bedroht ist die Zukunft von uns allen.
Meine persönlichen Ambitionen sind nicht in der Klimatologie. Ich bin „nur“ ein ex-Politiker, ein Volkswirt und ein Sozialwissenschaftler, kein Klimatologe. Die Klimatologie bin ich aber, hoffentlich, imstande zu studieren und ich bemühe mich ihre Hauptthesen und Hauptargumente zu begreifen. Das ist ausreichend. Zu den elementaren Schlussfolgerungen der heutigen Klimatologie, die – im Gegenteil zu den Positionen von IPCC und von vielen Politikern und Medien – vorsichtig und wissenschaftlich skeptisch ist, gehören meiner Meinung nach folgende Thesen:
1. das Klima ändert sich ständig;
2. das Klima ist ein Komplexsystem und jedes Reduktionismus in seiner Auslegung ist falsch und a priori gefährlich;
3. jemand, der beansprucht zu wissen, wie das Klima funktioniert, ist nicht jemand, der zur Welt der Wissenschaft gehört;
4. das Klima als multifaktorielles System kann nicht in kontrollierbarer Weise angepasst (oder vorprogrammiert) werden. Die heutige – außer der Wissenschaft entstandene und höchst unbescheidene – Doktrin der Klimakontrolle hat keine seriöse Basis und Begründung;
5. alle heute vorgeschlagenen und teilweise auch schon realisierten Maßnahmen zur Bremsung des angeblichen, von Menschen verursachten Temperaturwechsels würden einen so geringen Effekt haben, dass deren potentielle Auswirkung nicht messbar sein wird.
So etwas zu behaupten braucht keine Courage und auch keine Originalität. Vor ein paar Jahren war es die ganz natürliche Sichtweise, „the conventional wisdom.“ Was ist inzwischen geschehen? Was wurde geändert? Nicht die Realität. Die Wissenschaft auch nicht. „Nur“ die Ideologie und damit die Ambitionen der ewigen Revolutionäre und Undemokraten die Gesellschaft zu ändern.
Die Debatte hat viele Seiten, viele Dimensionen. Die Hauptdarsteller des Klimaalarmismus sprechen sehr oft und sehr stolz über die Wissenschaft, und über ihre eigene „computer-models“. Besonders die Qualität dieser Modelle bringen viele Zweifel. Meine langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Statistik und Ökonometrie haben mir die Möglichkeit gegeben, mit Daten, Zeitreihen und Computermodellen ebenso gut, wie die Klimatologen zu arbeiten. Und deshalb habe ich meine Fragen. Auch die Volkswirtschaftslehre gibt mir – und uns allen – ein mächtiges Instrumentarium für die Analyse des menschlichen Verhaltens, was in dieser Debatte das Wichtigste ist.
Von dieser Perspektive sehe ich die heutige Debatte als nichts anderes als eine neue Runde in der ewigen Kontroverse zwischen Liberalen und Etatisten über den richtigen oder notwendigen Umfang der Zentralisierung, Kontrollierung und Planung der menschlichen Aktivitäten, das heißt der Menschen. Hoffentlich steht die sächsische FDP in dieser Hinsicht mit mir an derselben Seite.
Wie ich schon sagte,
- das Klima wechselt permanent und seine gegenwärtige Entwicklung ist historisch betrachtet keine Ausnahme;
- die Oberflächentemperatur der Erde steigt in der letzten Jahrzehnten mit verschiedenen Unterbrechungen langsam an, aber ihre bis heute existierende Steigerung ist mit Projektionen von Computermodellen, auf die sich das IPCC stützt, offensichtlich nicht im Einklang;
- es gibt auch keinen wissenschaftlichen Konsens über die Rolle der Faktoren, die die heutige Klimaänderung verursachen. Die CO2-Konzentration (und besonders die CO2-Emissionen) für den entscheidenden Faktor zu halten ist nicht berechtigt;
- die Konsequenzen der vorstellbaren Klimaänderungen werden in der relevanten Zukunft nicht so groß sein, um die Menschheit zu bedrohen. Ganz umgekehrt, sie können den Menschen helfen;
- die Konsequenzen der potenziellen zukünftigen Klimaänderungen werden die Menschen mit Hilfe von ganz anderen Technologien und mit viel höherem Niveau von Reichtum als heute lösen. Ihre Anpassungsfähigkeit wird viel größer sein;
- die Ambitionen, das globale Klima zu ändern, sind nicht nur unnötig. Sie führen zur Verschwendung der knappen Finanzmittel, die den Menschen zur Verfügung stehen;
- die Regulierung, Reglementierung und Steuerung der Gesellschaft und der Wirtschaft, die mit der Ideologie der globalen Erwärmung verbunden ist, wird uns in eine neue Unfreiheit führen, in eine neue, von oben organisierte und dirigierte Gesellschaft, wo der Mensch nur am Rande stehen wird.
Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Weg so bald wie möglich verlassen müssen. Wenn wir die CO2-Emissionen wirklich reduzieren wollen (ich will es nicht)[2], müssen wir entweder das Wirtschaftswachstum bremsen, oder die Reproduktionsfreiheit der Menschen begrenzen, oder auf Wunder mit der Emissionsintensitätentwicklung hoffen. Ist es möglich, realisierbar, notwendig und demokratisch? Kann man es freiwillig, ohne Gewalt durchsetzen?
Meine Antwort heißt nein. Es gibt leider sehr sichtbare und laute Menschengruppen unter uns, die auf die Prosperität verzichten wollen. Auf die Prosperität der Menschheit, nicht auf ihre eigene. Das Wirtschaftswachstum zu stoppen widerspricht den historischen Erfahrungen. Die Menschen hatten in ihrer ganzen Geschichte die Motivation, nach vorne zu streben und ihre Lebensbedingungen und ihren Lebensstandard zu verbessern. Das zu stoppen, würde das bisherige menschliche Verhalten revolutionär ändern. Dazu müssen wir resolut Nein sagen. Asketismus ist eine respektable persönliche Einstellung, sollte aber nicht uns allen aufgezwungen werden.
Es gibt auch Menschen, die die demographische Entwicklung der ganzen Menschheit regulieren wollen. Auch das wäre revolutionär. Etwas Ähnliches haben bisher nur die totalitären Regime versucht oder davon geträumt. Auch dazu sollten wir sehr laut sagen, dass die Freiheit Kinder zu bekommen, zu den wichtigsten Menschenrechten gehört und gehören muss.
Es gibt noch eine dritte, eine mehr oder weniger auf Idealismus basierende Gruppe, die nichts anderes als die radikale Änderung der Emissionsintensität (CO2-Emissionen per € des BSP) erwartet oder direkt verlangt, was der bisherigen Erfahrung der Menschheit auch ganz und völlig widerspricht. Langfristig bewegt sich die Emissionsintensität zusammen mit der gesamten ökonomischen Effektivität, aber nicht revolutionär.
Im letzten Jahr hat hier jemand gesagt, dass nur die postkommunistischen Länder, die nach dem Fall des Kommunismus durch eine radikale Transformation gehen mussten, die ihre Schwerindustrie praktisch über Nacht verloren haben, und die einen tiefen BSP-Rückgang erlebten, imstande waren ihre CO2-Emissionen um fast ein Drittel zu senken. Das war aber keine geplante oder von oben organisierte Revolution der Emissionsintensität. Diese „Quasirevolution“ war eine unerwünschte Folge der Eliminierung ganzer Industriezweige, die wegen des Systemwandels und wegen der schnellen Schwindung der Nachfrage im Osteuropa und im Russland „über Nacht“ verschwanden[3]. Das wissen die Menschen, die in diesem Teil Deutschlands leben, sehr gut.
Die Daten zeigen, dass der Zusammenhang von CO2-Emissionen mit dem Wirtschaftswachstum sehr hoch ist. Die führenden EU-Politiker wollen es nicht wissen. Sie wollen in den nächsten Jahren die CO2-Emissionen um 20% senken. Haben sie die Erfahrung der letzten Jahrzehnte studiert und analysiert? Wie wollen sie das Senken verursachen? Erwarten sie, dass die ganze EU einen ähnlichen Schock erleben wird, wie die mittel- und osteuropäischen Länder nach dem Kollaps des Kommunismus? Erwarten sie, dass die wirtschaftlich schwächeren europäischen Länder auf ihren „Nachholprozess“ verzichten werden? Sind sie bereit, die Senkung der Zahl der EU-Einwohner mit Gewalt zu organisieren? Oder, erwarten sie ein plötzliches Wunder in der Entwicklung der Emissionsintensität und eine radikale wissenschaftliche und technologische Revolution? Ich weiß es nicht. Nichts davon ist möglich.
Solche Vorschläge zu machen scheint mir eher als eine gefährliche Kombination von Unverantwortlichkeit, Zynismus, Wunschdenken, und Glauben an eine Form des Malthusianismus zu sein. Dazu kommt wahrscheinlich der Glaube an die Möglichkeit, die naturwissenschaftlichen, als auch sozialwissenschaftlichen Gesetze mit Hilfe von einem radikalen politischen Projekt zu ändern. Das habe ich und das haben manche von Ihnen schon einmal erlebt.
Jetzt, am Ende, möchte ich ein paar kritische Bemerkungen zu zwei Texten vom Vorjahr anführen. Langfristig habe ich Angst, dass die Sozialwissenschaften und besonders die Volkswirtschaftslehre in dieser Debatte fast nicht existieren. In dieser Hinsicht war die Rede von Prof. Sturm eine positive Ausnahme.
Er steht aber an der anderen Seite der heutigen Debatte. Er akzeptiert die These, dass die Menschheit die CO2-Emissionen senken muss, aber – ob gerade das notwendig ist – ist die Substanz unserer Sorgen. Dazu muss auch die Volkswirtschaftslehre mit ihren Argumenten etwas sagen. Er fragt ganz passiv Naturwissenschaftler und Politiker, wie hoch diese Senkung sein sollte, und dann sucht er eine rein theoretische Lösung (wie in einer Planwirtschaft). Das geht in der Demokratie nicht.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie wollte er den erforderlichen Umfang der CO2-Emissionen Senkung verantwortlich und verlässlich quantifizieren.
Es ist auch unklar, wie wollte er die CO2-Emissionen gegen den Willen und Motivation der Menschen reduzieren? Die Menschen sind keine Schachfiguren, die keine Selbstmotivation und keinen Selbstantrieb besitzen. Sie sind „homo oeconomicus“, nicht die passiven Objekte einer aufgeklärten Lenkung.
Prof. Sturm wollte mit der ganzen Gesellschaft seine Optimierungsspiele spielen. An Seite 53 sagt er ganz logisch: „Wenn man etwas haben möchte, sollte man möglichst wenig dafür ausgeben.“ Ja, bestimmt, aber was bedeutet in diesem Zusammenhang das Wort „man“? Wer ist dieser „man“? In der Planwirtschaft war es klar. Das war die Planungskommission, die uns repräsentierte, oder repräsentieren wollte, aber jetzt? Die heutige post-demokratische Regierung? Prof. Sturm spricht auch über „die Gesamtmenge an Emissionen in Europa“ (s. 55), das heißt, dass sein „man“ noch größer sein muss. An Seite 63 spricht er sogar über „die Forderung der Ökonomen eine globale Klimapolitik mit bindenden Emissionsgrenzen zu erreichen“. Diese Denkweise kann ich nicht akzeptieren. Das ist für mich die unannehmbare Verteidigung der Postdemokratie und der Global Governance Ambitionen.
Der Beitrag des britischen Teilnehmers an der Debatte, Dr. Peiser vom Global Warming Policy Foundation, die mit meinem Institut befreundet ist, war für mich auch eine gewisse Überraschung. Er sagte: „Wir sind als Organisation keine Klimaskeptiker, weil wir als Organisation überhaupt keine Meinung zu der Klimawissenschaft haben“ (s. 67). Ich kenne die Stiftung, ich habe dort die erste Inauguralrede, die die Stiftung im Jahr 2010 organisierte, gehalten, aber solche Passivität und Nichtengagiertheit habe ich dort nicht gesehen. Dr. Peiser sagte auch: „Bei der Klimadebatte geht es nicht so sehr darum, wer Recht und wer Unrecht hat“ (s. 64). War die Übersetzung korrekt? Solche These verstehe ich überhaupt nicht.
Ich habe aber versprochen, dass meine kritischen Bemerkungen nur sehr kurz sein werden. Deshalb muss ich jetzt aufhören. Vielen Dank für ihre Einladung und für ihre Aufmerksamkeit.
Václav Klaus, Rede an der Alternativen Klimakonferenz, Congress Center Dresden, 25. Mai, 2013
[1] Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit? Carl Gerold’s Sohn Verlagsbuchhandlung, Wien, 2007.
[2] Die CO2-Emissionen (nicht die Menge von CO2 in der Atmosphäre) sind mit drei Variablen verbunden: mit dem BSP pro Kopf (das das Ausmaß der wirtschaftlichen Aktivität darstellt, WA), mit der Einwohnerzahl (EZ), und mit der Emissionsintensität (CO2-Emissionen per € des BSP, EI). Der Zusammenhang ist sehr einfach: ECO2= WA x EZ x EI.
[3] Dazu habe ich auch hier in Dresden etwas gesagt. In meiner Rede an der Technischen Universität, als ich dort den Ehrendoktorat bekommen habe, habe ich die spezifische Position der ehemaligen DDR diskutiert: „Komparative Analyse der Transformation im Multavialand und Albisland” (https://www.klaus.cz/clanky/15); siehe auch mein Buch „Europa? Ausgewählte Reden, Vorträge und Texte des Präsidenten der Tschechischen Republik 2005-2010”, Context Medien und Verlag, Nürnberg, 2011.
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