Hlavní strana » Deutsche Seiten » Einführung zu der…
Deutsche Seiten, 13. 12. 2012
Vielen Dank für Ihre Einladung und für die Gelegenheit zum ersten mal in Ihrer schönen Stadt sein zu dürfen.
Es gibt viele Themen, die in dieser Zeit aktuell, interessant und inspirierend sind, aber heute möchte ich hier über die sehr komplizierte wirtschaftliche Situation in Europa reden und über die künstliche, nicht spontan entstehende, in letzter Zeit radikal beschleunigende massive Unifizierung des europäischen Kontinents, die vor unseren Augen abläuft.
Wie es so oft in der Geschichte und in ähnlichen Situationen geschieht, bringt die heutige europäische Entwicklung mehrere ungeplante und unerwünschte Konsequenzen, die die ganz entgegengesetzte Prozesse als europäische Einheit und Harmonie in Gang setzen. Für mich ist es keine Überraschung. Ich spreche seit langem über die exzessive Unifizierung und Denationalisierung Europas und warne davor, dass sie zu großen Problemen, sogar zur Desintegration, führen kann. Ich habe es gewusst, trotzdem habe ich nicht erwartet, dass die Tiefe der Probleme, die wir heute erleben, so schnell eintreten wird.
Was sehe ich heute in Europa? An der Achse Bürger vs. Staat und an der Achse Markt vs. zentralistische und bürokratische Regulierung und Reglementierung der Wirtschaft und Gesellschaft sehe ich – und bestimmt nicht nur ich – eine gefährliche Entwicklung, die unsere Freiheit und Prosperität bedroht. Jeder, der offene Augen hat, muss auch das wachsende Pharisäertum der politischen Korrektheit und die beschädigte parlamentarische Demokratie oder sogar Postdemokratie sehen. Man muss die ständig steigenden Ansprüche der Menschen sehen, die – wegen der zu großzügigen Sozialpolitik – von den Leistungen abgetrennt und sogar immunisiert wurden. Man muss sich auch die Frage stellen, ob die europäische Wirtschaft die Maßnahmen, die von der Ideologie des Environmentalismus (oder Ökologismus) kommen, überstehen kann.
Die Herausforderung, vor der wir heute in Europa stehen, nehme ich sehr ernst, ähnlich wie vor 23 Jahren den Kollaps des Kommunismus und den komplizierten Aufbau der freien und demokratischen Gesellschaft in unserem und auch in Ihrem Land und im ganzen Mittel- und Osteuropa. Jetzt stehen wir vor ähnlichen Aufgaben. Das heutige Problem Europas wird nicht an den immer häufigeren EU-Gipfelkonferenzen gelöst. Seine Tiefe und Dringlichkeit brauchen etwas Anderes. Wieder einmal brauchen sie eine fundamentale Wende, einen Wechsel des gesamten Paradigmas unseres Benehmens und unseres Denkens. Das müssen die Menschen den Politikern sagen.
Vor einem Jahr habe ich ein Buch über diese Themen geschrieben, welches vor ein paar Wochen auch in der deutschen Sprache veröffentlicht wurde. Ich bin sehr froh, dass ich das Buch auch hier an Ihrer Universität vorstellen darf.
Dieses Buch wurde Ende letzten Jahres auf tschechisch geschrieben und herausgegeben, heute haben wir – zu der deutschen Ausgabe – auch die englische, italienische, bulgarische und seit einer Woche auch die spanische Version.
Der ursprüngliche tschechische Titel meines Buches lautet Europäische Integration ohne Illusionen, was wahrscheinlich genauer und treffender ist, aber der deutsche Herausgeber präferierte etwas, was ich eigentlich auch sagen wollte: Europa braucht Freiheit.
Diese drei Worte sind – mehr oder weniger – die Hauptbotschaft meines Buches. Die Schwächung der Freiheit, die Postdemokratie, irrtümlich nur als Demokratiedefizit genannt, genau das ist es, was ich heute in Europa sehe und fühle. Unsere Vergangenheit in der kommunistischen Zeit, macht uns in dieser Hinsicht sehr sensibel.
In diesem Buch kritisiere ich nicht die Einzelheiten des europäischen Integrationsprozesses, sondern ihn als Ganzes, und meine Kritik bezieht sich nicht auf die – immer existierende – Lücke oder sogar Kluft zwischen dem Integrationsmodell und der Realität. Meine Kritik bezieht sich auf das Modell, auf das Schema oder Konzept der europäischen Integration.
Wenn ich das Wort Krise benutze, meine ich nicht die akute Verschuldungskrise der Eurozone. Ich spreche über die lange Zeit existierende Krise der europäischen Wirtschafts- und Sozialsystems und des Modells der europäischen Integration. Ich habe Angst, dass wir uns in einer Sackgasse befinden und wir alle wissen, dass es aus einer Sackgasse nur einen Weg gibt, den Weg zurück. Zurück zu den Wurzeln, auf denen Europa ihre historischen Erfolge, ihre Freiheit und ihre Prosperität aufgebaut hat. Diese Thesen sind das Thema meines Buches.
Das erste Kapitel diskutiert die historische Entwicklung der europäischen Integration, den Weg von der EWG zur EG und von der EG zur EU.
Das zweite Kapitel ist dem heutigen instabilen Zwischenstand gewidmet, den man EWU, Europäische Währungsunion, nennen kann. Dieser Zustand muss – für mich leider – zu der tieferen Stufe der Integration, zu der EFU und EPU, früher oder später führen. Das wollen aber die Menschen in den EU-Ländern nicht.
Man sollte laut sagen, dass die ersten zehn Jahre der Existenz der Währungsunion nicht die positiven Effekte geliefert haben, die man – zu Recht oder zu Unrecht – erwartet hatte. Es wurde versprochen, dass die Währungsunion das Wirtschaftswachstum akzelerieren, die Inflation senken und vor allem ihre Mitgliedstaaten vor verschiedenen externen Störungen schützen wird.
Nichts davon ist eingetreten. Eher das Gegenteil. Nach der Entstehung der Eurozone hat sich das Wirtschaftswachstum in deren Ländern im Vergleich zu den vorherigen Jahrzehnten verlangsamt. Auch die Handelsbilanzen und Staatshaushalte haben sich verschlechtert.
Es ist nicht überraschend. Viele von uns haben lange Zeit gewusst, dass die Idee einer gemeinsamen Währung für ganz Europa falsch und gefährlich sein wird, und dass sie zu großen wirtschaftlichen Problemen und notwendigerweise auch zu der undemokratischen Zentralisierung des Kontinents führen muss. Genau das passierte. Die Eurozone der heutigen 17 Staaten ist ohne Zweifel keine „optimale Währungszone“. Ihr Entstehen war eine rein politische Entscheidung.
Die Politiker sollten in Betracht nehmen, dass wenn die Währungszone keine optimale Währungszone ist, kann es nicht anders sein, als dass die Kosten für deren Schaffung und Erhaltung die Erträge übersteigen, die das Funktionieren der Währungszone mit sich bringt. Die beiden Worte „Schaffung“ und „Erhaltung“ sind wichtig. Die meisten Beobachter waren mit der Leichtigkeit des ersten Schrittes (Gründung der gemeinsamen Währungszone) zufrieden. Es wurde der Eindruck erweckt, dass mit diesem Projekt alles in Ordnung sei.
In den letzten Monaten und Jahren wurden die negativen Effekte der zu engen „Zwangsjacke“ der gemeinsamen Währung immer mehr evident. Bei „gutem Wetter“ (im ökonomischen Sinne des Wortes) entstehen keine unlösbaren Probleme. In einer Krise (oder „bei schlechtem Wetter“) wird der Mangel an Homogenität in Europa evident. Solche leicht verletzbare Währungszone aufrechtzuerhalten ist in dieser Situation sehr kompliziert und sehr teuer. Das sollten besonders die Deutschen gut wissen. Die Erfahrung mit der Wiedervereinigung Deutschlands, das heißt mit der Währungsunion Deutschlands, und mit ihren Kosten sind hier – hoffentlich – noch nicht vergessen.
Über die weitere Entwicklung möchte ich nicht spekulieren. Meiner Einschätzung nach wird der Euro direkt oder nominal nicht scheitern, da in seine Existenz zu viel politisches Kapital investiert wurde. Das Projekt wird fortgesetzt werden – aber um einen enormen und ganz unnötigen Preis, der durch sehr niedriges Wirtschaftswachstum (oder sogar Stagnation) und hohe Finanztransfers manifestiert wird.
In diesem Zusammenhang diskutiere ich in meinem Buch auch Griechenland. Unlängst habe ich die Frage bekommen, ob der neue europäische Rettungsschirm Griechenland helfen wird. Meine Antwort war: „Es ist falsch, dass es als ein Rettungsschirm für Griechenland bezeichnet wird. Es handelt sich um einen Rettungsschirm für die Utopie der Eurozone.“ Griechenland hat die heutigen europäischen Probleme nicht verursacht. Dieses Land ist das Opfer der Währungszone und braucht die Möglichkeit die Eurozone zu verlassen.
Das dritte Kapitel meines Buches diskutiert die Vor- und Nachteile der territorialen Integration im ökonomischen Sinne. Im Widerspruch zu den dominierenden Positionen sehe ich auch verschiedene Nachteile – im Zentralismus, in unnötiger Gleichschaltung, Homogenisierung und Standardisierung des gesamten Kontinents und in Unzweckmäßiger Annahme, dass „one-size-fits-all“ (eine Größe allen passt). Die Vorteile sind bekannt, die Nachteile sind, oder lange Zeit wurden, nicht diskutiert.
Das vierte Kapitel beschreibt die politischen Folgen der Kommunitarisierung und Denationalisierung Europas, wo ich die Bedrohung unserer Freiheit sehe.
Das fünfte Kapitel fragt „Wohin soll Europa gehen?“ Meine Antwort ist: Europa braucht eine Wende, eine radikale Systemveränderung. Europa braucht einen fundamentalen Systemwandel, eine Umgestaltung des herrschenden Paradigmas unseres Denkens und unseres Benehmens.
Um zu einer solchen Entscheidung zu kommen, braucht man einen echten politischen Prozess, nicht die Bewilligung eines Dokumentes, das hinter verschlossenen Türen in Brüssel vorbereitet wurde. Es muss das Ergebnis der politischer Debatten in den einzelnen EU-Ländern sein. Es muss vom Volk, vom „Demos“, in diesen Ländern, in Deutschland, in der Tschechischen Republik, geschafft werden. Das kann man nicht an der europäischen Ebene organisieren. (Es gibt kein Demos in Europa. Man hat hier nur „Bewohner“ Europas.).
Solche Debatte müssen wir sehr bald anfangen.
Václav Klaus, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Bayreuth, Bayreuth, 13. Dezember 2012
Copyright © 2010, Václav Klaus. Všechna práva vyhrazena. Bez předchozího písemného souhlasu není dovoleno další publikování, distribuce nebo tisk materiálů zveřejněných na tomto serveru.