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Deutsche Seiten, 13. 6. 2009
Verehrte Frau Göncz, sehr geehrte Gäste, Damen und Herren,
es ist für mich eine große Ehre, den diesjährigen Adalbert-Preis gerade hier, auf der Prager Burg, einem Menschen verleihen zu dürfen, den ich sehr hoch schätze, Herrn Árpád Göncz. Es ist wirklich Schade, dass er selbst, wegen seiner Erkrankung, hier nicht persönlich anwesend sein kann.
Die Bezeichnung des Adalbert-Preises lautet „Für Frieden, Freiheit und Zusammenarbeit in Europa“. Es sind schöne Worte. Es sind Worte, die permanent relevant sind, obwohl sie in der Geschichte oft entwertet und missbraucht wurden, um andere oder sogar genau umgekehrte Absichten zu verbergen. Trotzdem sind sie mit uns bis zum heutigen Tag geblieben, und das ist sehr gut. Umso mehr sollten wir uns bemühen, ihren gegenwärtigen Sinn und aktuellen Inhalt zu finden.
Frieden, Freiheit und Zusammenarbeit sind Begriffe, die eng zusammenhängen. Man kann sogar sagen, dass das eine ohne das andere nicht existieren kann. Das gilt besonders für Europa und für den mitteleuropäischen Raum, der im letzten Jahrhundert, an das wir mit unserer Gegenwart anknüpfen, Frieden, Freiheit und fruchtbare internationale Zusammenarbeit nicht oft genossen hat.
Diesem Ort, an dem wir heute bei dieser festlichen Gelegenheit zusammengekommen sind, dominiert der Veitsdom – das Symbol von Prag, von der Tschechischen Republik und von der tausendjährigen tschechischen Staatlichkeit. Er ist nicht umsonst drei der bedeutendsten geistlichen und politischen Persönlichkeiten nicht nur ihrer Zeit, sondern auch der ganzen tschechischen Geschichte eingeweiht: dem Heiligen Wenzeslaus, dem Heiligen Veit - und dem Heiligen Adalbert. Während der Heilige Wenzeslaus und die Legende, die ihn umgibt, jedem Kind bei uns bekannt ist, ist der Heilige Adalbert in der Tschechischen Republik viel weniger bekannt. In anderen Ländern Mitteleuropas ist der Heilige Adalbert zum Bestandteil der Kultur- und Geistesgeschichte geworden, was auch sein Name in der Bezeichnung des internationalen Preises beweist, den wir heute an Herrn Árpád Göncz überreichen.
Es ist deshalb so, weil – wie es in der Geschichte so oft manchen großen Persönlichkeiten passiert – niemand Prophet im eigenen Land ist. Dieses Schicksal hatte sich im Falle von Adalbert tragisch erfüllt. Er war der erste Bischof von Prag tschechischer Abstammung. Er lebte in einer schwierigen Zeit der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts, im entscheidenden Moment der Gestaltung der tschechischen Staatlichkeit. Ein gebildeter Mann, Angehöriger des bedeutenden böhmischen Geschlechts der Slavnikiden, des Konkurrenten der später dominierenden Premysliden, eine äußerst spirituelle Persönlichkeit, die ein sehr ehrliches, reines bis asketisches Leben führte. Ein christlicher Bischof, der sich um die Säuberung des Privatlebens, um moralisches Benehmen und um wahre sittliche Prinzipien bemühte. Ein Priester, der nie von seinen Grundsätzen abwich, der seine tiefen Ideenwurzeln nicht für weltliche Vorteile oder mit heutigen Worten für die Popularität verkaufte. Ein Mann, für dessen Taten seine Umgebung auch aus diesen Gründen wenig Verständnis zeigte, und die ihn schließlich zum Märtyrertod weit von seiner Heimat führten.
Der Bischof Adalbert musste sich wegen seinen Einstellungen nicht nur mit zeitgenössischen Verhältnissen und Sitten auseinandersetzen, sondern auch mit den Machtträgern der damaligen Welt. Das ist nie ein leichtes Los. Inspiriert durch die sich aus dem französischen Cluny verbreitenden Ideen, wollte er die Kirche reformieren, das spirituelle Leben der ganzen Gesellschaft vertiefen und – in heutiger Terminologie gesprochen – die Beziehung des Staates und der Kirche ändern. Er war bereit, das Christentum nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland, unter den heidnischen Völkern zu verbreiten. Es war eine undankbare Rolle und man kann nicht sagen, dass er in seiner Zeit erfolgreich war. Mindestens wenn wir davon ausgehen, dass er, zu Hause missverstanden, seinen Bischofsstuhl in Prag und schließlich auch seine Heimat verließ, um im Jahre 997 einen Märtyrertod als Missionär im damaligen Preußen zu finden. Erst mehr als vier Jahrzehnte später, im Jahre 1039, kehrten seine sterblichen Überreste nach Prag zurück, als sie der Fürst Břetislav aus dem polnischen Gnesen mitgebracht hat.
Als Politiker kann ich nicht außer Acht lassen, dass das Leben von Adalbert durch viele politische Themen beeinflusst wurde, die in dieser oder jener Form auch nach tausend Jahren nicht geschlossen sind und die uns auch in der Gegenwart – nur vielleicht in anderen Farbtönen und zeitlichen Kulissen – nach wie vor schicksalsvoll verfolgen. Sollte sich das Land mehr an Polen und Sachsen oder an Bayern anlehnen? Sollte es mehr tschechisch oder europäisch sein? Sollte es sich mehr nach Byzanz oder nach Rom orientieren? Für Adalbert waren diese Fragen mit der Bemühung um Wahrhaftigkeit der Lebenseinstellungen und Treue den Prinzipien untrennbar verbunden, die nicht für aktuelle politische Ziele verkauft werden dürfen. Er verkörperte die Tugenden, die auch nach tausend Jahren und nach revolutionären Änderungen unserer technologischen Welt manchen unseren Zeitgenossen fehlen: Verantwortungsbewusstsein, Sinn für mutvolle Überwindung täglicher Hindernisse, für die Lebensdisziplin und die nicht relativierbare Moral, für ehrliches Suchen nach richtigen Entscheidungen in jeder Lebenslage.
Ich glaube, dass gerade solche Werte auch dem heutigen Laureaten des Adalbertpreises, Herrn Árpád Göncz, nahe sind. Und dass deshalb diese bedeutende internationale Würdigung gerade in seinen Händen an der richtigen Stelle sein wird.
Erlauben Sie mir deshalb, verehrte Frau Göncz, dass ich durch Sie Ihrem Vater recht herzlich gratuliere und den Adalbert-Preis für das Jahr 2009 Ihnen überreiche.
Václav Klaus, Prager Burg, 13. Juni 2009
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