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ZEIT - Gespräch mit Václav Klaus, Präsident der Tschechischen Republik

Deutsche Seiten, 16. 4. 2003

DIE ZEIT: Herr Präsident, der Krieg gegen den Irak hat Europa zerrissen. Nach amerikanischer Definition zählen Sie zu den neuen Europäern, haben aber Nein zum Irak-Krieg gesagt und damit die Antwort der alten Europäer gegeben. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser europäischen Krise?

V.K.: Diese Teilung Europas akzeptiere ich nicht, sie ist unsinnig. Wir dürfen uns nicht auseinander  dividieren lassen. Meine Position, die mit der tschechischen Position identisch ist, ist ganz klar: Wir unterstützen die humanitäre Hilfe im Irak und in der gesamten Region, sind aber nicht Teil der kämpfenden Koalition. Auch die Frage, ob man auf der Seite Amerikas stehe oder nicht, akzeptiere ich nicht.

ZEIT: Einige Ihrer und unserer Nachbarn, beispielsweise Polen, scheinen diese Teilung durchaus zu akzeptieren.  Was genau stört Sie daran?

V.K.: Es geht nicht darum, ob mich daran etwas stört. Diese Teilung entspricht nicht der Realität. Die künftigen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten wollen die Fortsetzung der transatlantischen Beziehungen. Ich will sie auch, wahrscheinlich sogar mehr als die anderen. Wir haben nämlich ein paar Befürchtungen im Hinblick auf Westeuropa und wollen nicht, wie es in Amerika heißt, put all the eggs in one basket. Deshalb halten wir, die Beitrittsländer, diese Orientierung für eine sehr wichtige Sache. Wir brauchen die amerikanische Präsenz in Europa für die Verteidigung unserer Interessen in Europa. In dieser Hinsicht, nicht aber in der Irak-Frage, verstehe ich die proamerikanischen Stellungnahmen der Beitrittsländer.

ZEIT: Sie lassen sich also nicht vorschreiben, sich für das eine oder andere Lager zu entscheiden?

V.K.: Ich schließe mich niemandem an. Nur wer in den Wolken schwebt, braucht Anschluss. Wer mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, braucht nicht zu sagen, ob er auf der amerikanischen oder auf der deutschen oder französischen Seite steht. Ich bin auf der tschechischen Seite.

ZEIT: Sie haben sich klar gegen den Irak-Krieg ausgesprochen. Nun geht er zu Ende. Rechtfertigt das Ergebnis den Krieg?

V.K.: Auch da bin ich konsistent: Meine Position zur Lösung der Probleme im Irak ist nicht von der Dauer des Krieges abhängig.

ZEIT: Und wenn der Kriegsverlauf Washington ermutigt, auch Syrien oder Nordkorea  mit einem Demokratisierungskrieg zu beglücken?

V.K.: Die Ausfuhr einer Revolution, die Ausfuhr der Demokratie, die Ausfuhr von Transformation der Gesellschaft habe ich nicht gern. In kommunistischen Zeiten lautete in der damaligen Tschechoslowakei die Parole „Ausfuhr des Sozialismus“. Das habe ich nie akzeptiert; Warum sollte ich meine Meinung heute ändern?

ZEIT: Ehemalige Bürgerrechtler wie Adam Michnik in Polen sagen, dies seien Befreiungsbewegungen, die unterstützt werden müssten.

V.K.: Das war immer die Position von Linken. Ich gehörte nie zu dieser Gruppe. Da ich das Wort „links“ benutzte, füge ich hinzu: Es scheint mir, dass der Irak-Krieg auch ein linker Krieg ist. Natürlich ist mir bekannt, dass der amerikanische Präsident nicht auf dieser ideologischen Seite steht. Aber trotzdem folgt dieser Krieg im Prinzip einem linken Konzept. Die Linke möchte das, was sie für gut hält, exportieren. Für jemanden, der auf der konservativen, rechten Seite der ideologischen Barriere steht, ist das nicht richtig.

Die Frage hat noch eine andere  Dimension. Ich habe die Demokratisierung, die Transformation der tschechischen Gesellschaft erlebt. Daher weiß ich gut, dass das die Aufgabe der betroffenen Bürger ist. Sie als Deutsche verstehen das sicherlich sehr gut. Sie wissen, wie kompliziert die Umwandlung Ostdeutschlands von außen, nicht von innen war.

ZEIT: Muss Europa außen- und sicherheitspolitisch autonomer werden und in der Lage sein, außerhalb Europas zu intervenieren?

V.K.: Ich bin strikt dagegen. Die Ambition aller liberal-demokratischen Europäer sollte sein: keine solche Interventionen. Wir brauchen Europa nicht als Macht, die irgendwo in der Welt interveniert.

ZEIT: Auch nicht um Ordnung auf dem Balkan zu schaffen?

V.K.: Nein, auch das wäre  die Ausfuhr einer Revolution.

ZEIT: Welche Bedeutung hat die NATO für Sie?

V.K.: Die Mitgliedschaft ist für uns ein Symbol für das Ende einer Ära. Alle Bürger der Tschechischen Republik haben das so interpretiert, dass wir niemals wieder von einer euroasiatischen Großmacht beherrscht sein werden.

ZEIT: Als NATO-Mitglied könnten Sie eines Tages vor der Frage stehen, ob Sie sich an einer Ordnungsintervention beteiligen.

V.K.: Das Wort Ordnungsintervention habe ich noch nie gehört, aber es trifft das Problem gut. Im Prinzip bin ich dagegen.

ZEIT: Wer soll das legitimieren?

V.K.: Die Frage, ob etwas richtig ist, ist für mich viel wichtiger als die Legitimation. Stefan Zweig hat ein Buch geschrieben: Gewissen gegen Gewalt. Das Gewissen sagt mir, ob etwas richtig ist oder nicht.

ZEIT: In der Diskussion über den Irak-Krieg haben Sie für transatlantische Solidarität plädiert. Wie äußert sich die, wenn Sie den Krieg ablehnen?

V.K.: Solidarität kann sich in verschiedenen Bereichen ausdrücken. Ich kann gegen den Irak-Krieg sein und in zwanzig anderen Fällen an der Seite Amerikas stehen. Das darf man nicht so dramatisch sehen.

ZEIT: Besonders die Franzosen haben in letzter Zeit die Idee von Europa als Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten entwickelt. Das ist sicher nicht nach Ihrem Geschmack?

V.K.: Das ist in der Tat nicht meine Position. Wir sollten kein Gegengewicht zu Amerika sein.

ZEIT: Was sollte Europa denn sein?

V.K.: In der heutigen Welt sollten wir eher eine komplementäre Rolle spielen.

ZEIT: Sie sprachen von Befürchtungen im Hinblick auf Westeuropa. Brauchen Sie da die Beziehungen zu den USA nicht doch als Gegengewicht?

V.K.: Nein, ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass wir als kleine und neue Mitgliedstaaten in einer schwächeren Position sind als die alten Mitgliedstaaten.

ZEIT: Stört Sie der enge Schulterschluss zwischen Frankreich und Deutschland?

V.K.: Das sehe ich im Zusammenhang der Debatte über große Länder und kleine Staaten in Europa. Für mich ist wichtig, dass ich aufgrund der Vereinheitlichung und des Entstehens eines supranationalen Staates eine Bedrohung der Demokratie in Europa befürchte. Das ist nach meiner Überzeugung ein echtes Problem. Mein ewiger Kampf gilt der klassischen europäischen liberalen Demokratie gegen eine neue gesellschaftliche Ordnung. Ob diese Position von kleinen oder großen Staaten unterstützt wird, ist nicht so wichtig.

ZEIT: Manchmal hat man den Eindruck, dass die Europäische Union für Sie mehr einem Albtraum gleicht, während für Ihre Nachbarländer  der Traum überwiegt...

V.K.: Ein Traum ist der EU-Beitritt für mich wirklich nicht. Aber wir haben keine Alternative. Wir waren und sind immer in Europa. Heute kann man nicht ohne EU-Mitgliedschaft in Europa sein. Das ist eine Ehe der Vernunft, nicht der Liebe.

ZEIT: Was erwarten Sie überhaupt vom Beitritt Ihres Landes zur EU?

V.K.: Für ein mitteleuropäisches Land, das nicht auf einer Insel oder am Rande Europas liegt, ist es ganz einfach unmöglich, nicht der EU beizutreten. Das ist doch nicht eine negative Einschätzung.

ZEIT: Hat Europa für Sie irgend einen Mehrwert?

V.K.: Moment, wir sind und waren immer in Europa. Keine Frage, Prag ist Europa wie Lissabon oder Dublin. Dagegen heute ist die Mitgliedschaft in der EU eine Bestätigung, ein Stempel, dass unser Land ein normales, dem Standard entsprechendes, erwachsenes, problemloses Land ist. Uns steht kein anderer Weg offen, als diesen Stempel zu bekommen. Das ist sehr wichtig. Ob morgen der Kosten-Nutzen-Vergleich für uns günstig ausfallen wird - jetzt spreche ich nicht nur von finanziellen Kategorien  -, da bin ich nicht sicher. Wahrscheinlich wird das Vorzeichen kurzfristig negativ sein.

Die EU-Mitgliedschaft ist wie eine Investition. Alle Investitionen in sämtlichen Bereichen des menschlichen Lebens bedeuten, dass man zuerst Kosten trägt und später hoffentlich Gewinne erzielt. Ich bin keiner, der die Finanztransfers in die Tschechische Republik und aus der Tschechischen Republik vergleicht und fragt, ob der Saldo positiv ist. Das machen andere, die gleichzeitig über Träume reden. In der Realität rechnen sie nur, das sind...

ZEIT: Erbsenzähler?

V.K.: Ein schönes Wort! Ein solches Verhalten wäre unter meinem Empfindlichkeitsniveau. Es geht mir nicht darum, ob wir in einem Jahr mehr zahlen, als die EU an uns zahlt. Das ist wirklich irrelevant.

ZEIT: Nun werden auf einen Schlag zehn Länder neu in die EU hineinkommen. Acht von ihnen verbindet, anders als den Rest Europas, eine gemeinsame Erfahrung mit dem Kommunismus. Wird dies den Charakter der EU ändern?

V.K.: Sie sprechen von „verbindenden“ Erfahrungen. Das muss aber nicht heißen, dass zwischen uns Einigkeit besteht. Wir haben zwar vergleichbare Erfahrungen, aber die Unterschiede zwischen uns sind sehr groß. Deshalb erwarte ich keine Blockbildung in der EU.

ZEIT: Keine Ostfraktion?

V.K.: Das erwarte ich wirklich nicht. Diese Länder sind auf der einen Seite politisch, ideologisch und zivilisatorisch in stärkerem Maße mit den heutigen EU-Mitgliedern kompatibel, als Sie denken. Auf der anderen Seite sind die Unterschiede  zwischen manchen EU-Ländern größer als die Unterschiede zwischen den Beitrittsländern und der EU. In Italien sind die Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden heute wahrscheinlich größer als die zwischen Prag und Berlin. 

Das Gespräch führten Gunter Hofmann und Klaus-Peter Schmid.

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