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Interview des Präsidenten der Tschechischen Republik für die Neue Kronen Zeitung

Deutsche Seiten, 23. 4. 2006


Herr Präsident, warum sprechen Sie so gut deutsch?

Ich habe in den 50er Jahren in der Schule deutsch gelernt. Meine Lehrerin war eine alte Dame mit Wiener Wurzeln. Leider habe ich nie länger in einem deutschsprachigen Land gelebt.

Sie verbringen häufig Ihren Urlaub in Österreich. Was schätzen Sie und Ihre Mitbürger an unserem Land?

Fast jedes Jahr bin ich in Österreich auf Urlaub. Österreich ist ein Nachbarland mit allen positiven und negativen Dimensionen. Nachbarn haben auch ihre Probleme. Ich sage immer, ich habe keine Probleme mit Madagaskar oder Bolivien, dort gibt es keine Grenzprobleme. Aber Tschechen und Österreicher sind sich sehr ähnlich, auch durch die Geschichte bedingt. Ich kann das mit einem Beispiel erklären. Im Jahre 1966 studierte ich in Neapel in Italien. Nach fünf Monaten bin ich mit dem Schnellzug zurückgefahren. Es war in der kommunistischen Zeit und Österreich war damals ganz verschieden von Tschechien. Aber trotzdem, als ich mit dem Zug in Wien angekommen bin und einen Tag dort verbracht habe, hatte ich das Gefühl, ich bin schon fast zu Hause im Vergleich zu Neapel. Man sieht das nicht von Wien oder von Prag aus. Die Küche, die Atmosphäre, die Gebäude der beiden Städte sind sich sehr ähnlich.

Hat sich das Gemeinsame jetzt verstärkt?

Die menschliche Beziehung zwischen Österreich und Tschechien ist sehr gut. Was verschiedene Politiker in Fernsehdebatten sagen ist eine andere Sache.

Zwischen den beiden Ländern ist in der Vergangenheit Unfassbares geschehen. Man hat sich entschuldigt. Sie sind jedoch der Erklärung Ihres Amtsvorgängers Václav Havels bezüglich der Vertreibung der Sudetendeutschen sehr skeptisch gegenüber gestanden. Warum?

Ich bin nicht der Meinung, dass Entschuldigungen wichtig sind. Man muss in seinem Leben etwas Positives machen. Aber wenn jemand etwas Schlechtes macht und dann Entschuldigung sagt, hat das für mich keine Bedeutung. Die Geschichte ist da, wir müssen sie verstehen, fair interpretieren, die Kinder müssen sie in der Schule lernen. Aber man kann die Geschichte nicht mit politisch korrekten Phrasen ändern. Das ist nicht meine Karte.

Was kann man tun um die Beziehungen zu verbessern?

Ich bin der Meinung, dass die Beziehungen ganz normal sind. Die Menschen brauchen normale Beziehungen. Vielleicht haben wir mehr als Standard-Beziehungen mit der Slowakei. Wir waren mehr als 70 Jahre ein Land und wir verstehen unsere Sprachen gegenseitig. Das ist eine Ausnahmesituation, die man mit anderen Ländern nicht teilen kann. Mit Österreich haben wir „nur normale“ Beziehungen. Es gibt so viele tschechische Touristen in Österreich zum Skifahren, zum Wandern. Heuer war ich zum Beispiel im Winter in Flachau. Dort kann ich nicht inkognito skifahren, ich werde von vielen meinen Landsleuten erkannt.

Im Melker Abkommen hat Tschechien zugesagt die Sicherheitsstandards im Atomkraftwerk Temelín zu verbessern. Ist dies geschehen?

Die Sicherheit von Temelín ist hauptsächlich in unserem Interesse. Ich habe ein Wochenendhaus in Südböhmen, ich sehe die Türme von Temelín beinahe von meinem Haus aus. Sicher zu sein, ist für mich ein wichtiges Gefühl. Vielleicht haben die Österreichischen

Politiker das nicht so verstanden. Die maximalen Sicherheitsstandards haben wir für uns gemacht.

Wird Tschechien künftig vermehrt in die Atomkraft investieren?

Man muss Energie schaffen. Es gibt Länder mit derart ausgezeichneten Bedingungen, dass sie zum Beispiel Wasserenergie haben. Diese können es sich leisten Atomkraft zu vergessen. Aber das ist nicht der Fall der Tschechischen Republik. Wir haben kein Potential im Wasser, wir haben kein Gas. Wir haben Braunkohle, die ökologisch wahrscheinlich viel schlimmer ist als Atomkraft. Das heißt, wir haben keine anderen Möglichkeiten, und nicht nur wir, sondern Europa hat keine andere Möglichkeit. Alle diskutieren, dass der russische Präsident Putin Europa droht. Das ist ganz logisch, wenn wir keine Atomkraft wollen, sondern Öl und Gas, aber kein Öl und Gas haben und es importieren müssen. Daher bin ich für eine pragmatische und nicht eine ideologische Diskussion über die Energieversorgung in Europa.

Reicht für Europa nur die Atomkraft aus?

Ich war vor einigen Wochen in Wien und habe diese Windräder gesehen. Das ist unglaublich. Diese Maschinen ruinieren die ganze Landschaft. Aus verschiedenen Gründen sind diese Windräder keine Alternative, auch von den Kosten für die Anschaffung her. Aber ich meine, man sieht Temelín auf 20 Kilometern, diese tausende, zehntausende Windräder sind viel schrecklicher anzusehen.

Tschechien und Österreich sind Mitglieder der EU. Hat das die Beziehungen zwischen den Ländern erleichtert?

Die Rolle der EU-Mitgliedschaft beider Länder ist für Beziehungen zwischen den beiden Ländern völlig unwichtig. Wir haben oder wir haben nicht gute Beziehungen zu Österreich.

Warum glauben Sie, gibt es sowohl in Österreich und Tschechien so viele EU-Kritiker?

Es gibt EU-Naivisten oder Idealisten, die glauben, dass alle menschlichen Probleme durch die EU gelöst sein werden. Zu dieser Gruppe gehöre ich nicht. Wir waren schon einmal in einer Ära mit ähnlichen Träumen, während des Kommunismus.

Sie sind Wirtschafswissenschafter. Wann haben Sie sich das erste Mal intensiv mit der Idee der Europäischen Gemeinschaft, beziehungsweise der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft auseinandergesetzt?

In der Mitte der 60er Jahre habe ich in der Akademie der Wissenschaften die damalige wirtschaftliche Situation der Europäischen Gemeinschaft studiert. Das war aber für uns damals eine abstrakte Debatte über Westeuropa, nicht über uns. Als Volkswirt muss ich sagen, dass es eine natürliche Evolution ist, Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Ländern zu gestalten und zu pflegen. Die Integration ist eine logische Entwicklung. Vor zehntausenden Jahren war die wirtschaftliche Einheit eine Familie, dann ein Dorf, ein Bezirk, eine Region, ein Staat. Es ist logisch, dass wir immer größere Verbände zusammenbringen. Nur ist das leider nicht das Hauptthema der heutigen EU. Das Hauptthema ist nicht die Öffnung der Länder und die Liberalisierung von menschlichen Aktivitäten. Das heutige Thema der EU ist die Reglementierung, die Kontrolle von Menschen. Die erste Entwicklung war bestimmt positiv. Sie hat gewisse Barrieren abgeschafft. Das habe ich damals studiert. Und das war die Hauptidee. Heute ist es eine Standardisierung der Menschen.

War das Vereinte Europa für Sie damals ein Modell der Freiheit?

Ich habe das damals als eine Methode der wirtschaftlichen Entwicklung diskutiert. Wir lebten zu jener Zeit in einer kommunistischen Gesellschaft. Die Theoretiker, die ich in dieser Zeit gelesen habe und die die liberale Idee verteidigt haben, waren ganz andere Leute, als die, die EU geschaffen haben. Das war Hayek aber nicht Monet.

Hat Europa die wirtschaftsliberale Idee verraten?

Ja. Heute sind wir in einer EU, in der Liberalismus nicht die Hauptideologie ist. Die Hauptideologie ist Sozialdemokratie. Ich möchte aber die europäische Idee nicht nur auf diese politische Ebene begrenzen. Die Debatte zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie ist nur eine Dimension der europäischen Idee, die ich Europäismus nenne.

Was gehört zum Europäismus?

Es geht um die Methoden der Integration der Länder in die EU. Die dritte Dimension ist die Außenpolitik und schließlich die vierte ist die Weltanschauung.

Sollte Europa eine gemeinsame Außenpolitik führen?

Das kann ich nicht beantworten. Verschiedene europäische Länder können ähnliche Interessen haben und eine gemeinsame Außenpolitik führen. Wenn dies nicht der Fall ist, können sie keine gemeinsame Außenpolitik führen. Es ist nie eine Frage nach der Verfassung, sondern eine Frage nach ähnlichen Interessen. Meine Meinung ist, dass die Interessen zu unterschiedlich sind, um eine gemeinsame Politik führen zu können.

Können sich die EU-Kommissäre nicht für die Interessen ihres Landes durchsetzen?

Sie können aber sie machen das nicht. Sie befassen sich mit den Interessen der EU. Das ist aber nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem sehe ich im demokratischen Defizit.

Meinen Sie damit, dass sich relativ kleine Länder nicht so gut durchsetzen können.

Nein. Das ist nicht das Wichtigste. Ich bin nicht der Meinung, dass die kleinen Länder besser sind als die großen. Das Problem liegt darin, in Europa keine Demokratie außerhalb des Staates haben zu können. Die Wähler sind zu weit voneinander entfernt.

Warum funktioniert es dann bei den Vereinten Staaten von Amerika?

Das ist ganz anders. Amerika entstand allmählich, von Anfang an als eine Nation. Der Unterschied zwischen Massachusets und Ohio ist nicht mit dem kulturellen Unterschied zwischen Griechenland und Finnland zu vergleichen. Alle sprechen Englisch, es war immer ein Land. Dort gibt es ein Volk. Auch wenn es in Alaska kälter ist als in Florida. Und das Wichtigste ist etwas Anderes. Wir brauchen das in Europa nicht. Wir sind stolz auf unsere Länder wie die Tschechische Republik oder Österreich. Und es dauerte auch in Amerika sehr lange bis es zu einer wirklich integrierten Nation wurde.

Europa ist also noch lange nicht reif für eine Verfassung?

Das ist keine Frage von früher oder später. Das ist einfach absolut unnötig, egal wann. Eine Verfassung regelt immer die Beziehung zwischen Bürger und Staat. Europäische Verfassung brauchen wir nicht. Eine andere Sache ist, ob wir ein klares, einfaches Dokument brauchen, in dem die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen europäischen Ländern und Institutionen festgelegt werden.

Tschechien kann nicht aus der EU austreten. Welchen EU-Kurs schlagen Sie nun pragmatisch vor?

Die EU ist da. Wir sind uns einig, die EU wird bleiben. Die Frage ist nun, wie man die Situation verbessern kann. Das hat nichts mit Skeptizismus zu tun. Ganz umgekehrt. Wir glauben, dass es möglich ist, etwas in der EU zu machen. Das ist Optimismus par Excellence.

Nadia Weiss, Neue Kronen Zeitung, 23.4.2006

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