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Interview des Präsidenten der Tschechischen Republik Václav Klaus für die Rheinische Post

Deutsche Seiten, 18. 1. 2008

Düsseldorf (RP). Tschechiens Staatspräsident Václav Klaus hält die Erwärmung der Erde für naturgegeben und die Schuld des Menschen daran für nicht bewiesen. Hinter der Debatte über den Klimaschutz vermutet der Radikalliberale Ideologen, die die Freiheit einschränken wollen.

Herr Präsident, Sie haben mit heftiger Kritik an den ökologischen Mahnungen des Friedensnobelpreisträgers Al Gore auf sich aufmerksam gemacht. Man könnte meinen, Sie glauben nicht an den Klimawandel. Stimmt unser Eindruck?

Das Problem von Environmentalismus oder Ökologismus ist nicht mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Al Gore entstanden. Der Ruf nach Klimaschutz um jeden Preis ist nichts Neues, er existiert schon lange Zeit. Und vor dieser Ideologie habe ich Angst. Deshalb bin ich so engagiert, so laut.

Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden nicht ernst nehmen, dass es für die Klima- und Temperaturschwankungen menschgemachte Ursachen gibt. Was antworten Sie?

Die erste Frage für mich ist, ob wir wirklich in einer Ära globaler Erwärmung leben. Denn diese Schwankungen erscheinen mir in historischen Dimensionen betrachtet ganz normal. Mir liegen Dokumente vor, die belegen, wo man im Tschechien des 14. Jahrhunderts ganz einfach Wein anbauen konnte. Im 16. und 17. Jahrhundert sah es in denselben Regionen ganz anders aus. Jetzt leben wir offenbar in einer Wärmeperiode. Die Temperatur-Unterschiede sind aber sehr klein. Daraus ein Bedrohungsszenario zu machen und eine Ideologie herzuleiten ist lächerlich. Die zweite Frage ist, ob diese geringe Erwärmung von Menschen verursacht ist oder nicht. Die menschliche Verantwortung lässt sich wissenschaftlich leider nicht bestätigen. Ohne Zweifel hat der Mensch Einfluss, aber in den vergangenen 100 Jahren ist die Temperatur um 0,74 Grad Celsius gestiegen. Wir können nun diskutieren, ob die Rolle des Menschen dabei 0,01 oder 0,001 Prozent beträgt. Ob das statistisch signifikant ist, bleibt allerdings eine andere Frage.

Woher nehmen Sie denn die Gewissheit, dass Sie richtig liegen?

Als Volkswirt wurde ich nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen 1968 von der Akademie der Wissenschaften geworfen und musste zwölf Jahre lang nur mit Computern und Statistiken arbeiten. Ich war damit unzufrieden, aber für mein Buch „Blauer Planet in grünen Fesseln” und meine kritische Würdigung der Klimawandel-Diskussion war das eine gute Vorbereitung. Das ist die Ironie der Geschichte: Ich habe Tausende ähnlicher Gleichungen und Modelle selbst vollzogen. Ich habe ein gewisses Gefühl für Statistik und weiß, dass die Klimatologie mit ähnlichen Modellen spielt. Ich weiß auch, wie empfindlich diese Modelle für menschliche Manipulationen sind. Deshalb glaube ich als Wissenschaftler nicht an diese Supermodelle, die angeblich den Klimawandel belegen.

Worin sehen Sie die besonderen Gefahren des Ökologismus, den Sie beklagen?

Die Bedrohung für die Menschheit liegt nicht im Klima, nicht in den Temperaturschwankungen. Ich habe für mein Buch den Untertitel gewählt: „Was ist bedroht Klima oder Freiheit?” Was also bedroht ist, und das fühlen wir als Bürger, die 50 Jahre im Kommunismus leben mussten, ist die Freiheit. Durch eine neue Ideologie, die wieder von oben die Leute organisiert und reglementiert. Und das halte ich für gefährlich.

Steckt dahinter Ihrer Ansicht nach ein Modetrend oder das Kalkül einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, die versucht, ihre Interessen durchzusetzen?

Auf der einen Seite ist es ohne Zweifel ein Modetrend. Aber dieser Trend hat eine längere Tradition. Diese Leute bemühen sich immer, Angst zu schaffen. Und mit dieser Angst möchten sie in der Gesellschaft eine Position bekommen, aus der heraus sie uns alle manipulieren können. Begonnen hat alles mit dem Club of Rome und den Katastrophen-Prognosen Anfang der 70er Jahre. Damals wurde uns gesagt, im Jahr 2000 würden wir ohne Öl, ohne Benzin, ohne fast alles sein.

Wen meinen Sie genau mit „diese Leute”?

Das sind jene, die mit den ehemaligen Marxisten und Sozialisten etwas gemeinsam haben: Sie vertrauen nur sich selbst, sie misstrauen den normalen Bürgern und nehmen ihnen ihre Freiheit. Diese Ideologen sind überzeugt, dass die Menschen immer von oben herab organisiert werden müssen und dass sie selbst sie organisieren sollen.

Hat der Ökologismus bzw. Environmentalismus wie Sie es auch nennen den Sozialismus abgelöst?

Es agieren zum Teil die selben Leute. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Untergang des Kommunismus wurde eine neue Ideologie gesucht und im Ökologismus gefunden. Dieser ist jetzt fast eine neue Religion: Das messbare Ergebnis der ökologischen Heilsversprechen liegt allerdings in ferner Zukunft. Es ist sehr einfach, Prognosen abzugeben, was in 100 Jahren sein wird. Ich nenne das Flucht vor der Realität. Die Politik muss keine echten Antworten auf drängende Fragen finden, sie betreibt Symbolpolitik.

Für Sie war etwa die Klimakonferenz auf Bali nur eine Showveranstaltung?

Ohne Zweifel. In Bali war keine seriöse Debatte möglich. Das war nur eine Manifestation wohlfeiler Absichten. Wir in der Tschechischen Republik wie auch in den anderen ehemaligen Ostblockstaaten sind in dieser Hinsicht vielleicht überempfindlich: Wir haben solche Manifestationen im Kommunismus allzu oft erlebt. Ich bin mir ganz sicher, dass man in ein paar Jahren darüber lachen wird, was wir 2007 oder 2008 in Panik umsetzten. Sie stehen mit Ihrer Position in der Weltöffentlichkeit fast allein.

Worauf führen Sie das zurück, Herr Präsident?

Das ist der politischen Korrektheit der heutigen Zeit geschuldet. Und für viele der anderen handelnden Politiker ist die Vision des Klimawandels nicht nur akzeptabel, sondern auch sehr günstig. Es ist nämlich nicht nötig, etwas für morgen oder übermorgen zu versprechen. Stattdessen wird über die Temperatur im Jahr 2100 diskutiert. Das lenkt die Menschen von den wahren Problemen ab und ist für Politiker ausgezeichnet.

Erfahren Sie denn auch Zuspruch?

Natürlich. Denn es gibt Tausende, die meine Meinung teilen. Ich bekomme täglich E-Mails, Briefe, wissenschaftliche Studien werden mir zugeschickt, viele davon auch aus Deutschland. Alle sagen: „Bitte helfen Sie uns! Denn für uns ist es fast unmöglich, unsere Position zu publizieren, weil sie nicht zu den Modethemen dieser Zeit gehört.” Also: Ich habe nicht das Gefühl, isoliert zu sein. Ein Beispiel: Vor wenigen Wochen haben 400 Wissenschaftler aus aller Welt bei UN-Generalsekretär Baan Ki Mun eine Petition eingereicht, in der sie sich von dem in dieser Form propagierten Klimawandel distanzieren. Das sind viel mehr Wissenschaftler als im Uno-Klimarat IPPC sitzen, der ansonsten die Diskussion mit seinen Voraussagen vom massiven Klimawandel bestimmt. Der IPCC besteht ja auch aus vielen Bürokraten und Quasi-Politikern. Warum ist diese Petition der kritischen Wissenschaftler fast unbekannt? Man findet sie nur auf bestimmten Seiten im Internet und in Fachmagazinen.

Die Ideologie des Environmentalismus oder Ökologismus, die Sie beklagen, führt dazu, dass die Politik sich verändert. In den USA bemühen sich die Präsidentschaftskandidaten um ein ökologisches Image. Deutschland hat sich für den Atomausstieg entschieden und steht damit in Europa alleine da. Was sagen Sie dazu?

Die Atomenergie ist wieder Thema. Sie wird heute ganz anders beurteilt als noch vor ein paar Jahren. Ich bin deshalb sehr optimistisch, dass die Menschheit die friedliche Nutzung der Atomenergie weiter betreiben wird. Aber die Renaissance der Atomenergie allein bedeutet keine Niederlage für die Ökologisten. Sie werden das ohne Zweifel überleben, sie werden ihre Argumentation ein bisschen verschieben und weiter marschieren. Aber mit Windrädern allein kann man weder die Tschechische Republik noch Deutschland mit elektrischer Energie versorgen. Zum Glück haben wir die Atomenergie!

Könnte man sagen: Umweltschutz muss man sich leisten können? Die Debatte wird ja schließlich eher in saturierten Gesellschaften geführt ...

In der Wissenschaft kennen wir die so genannte Kuznets-Kurve: Mit dem ökonomischen Wachstum wachsen am Anfang die Umweltprobleme. Aber nur am Anfang. Es kommt ein Punkt, an dem die Leute und die ganze Gesellschaft reich genug sind, um Umweltschutzmaßnahmen zu finanzieren. Danach sinken die Schäden trotz weiteren Wachstums. Es wäre also ein Fehler, die ökonomische Entwicklung jener Länder zu blockieren, die noch vor diesem Wendepunkt stehen. Diese Länder müssen die Gelegenheit haben zu wachsen. Deshalb sollten wir nicht ungeduldig sein.

Ihr Ansatz ist, dass der Mensch sich nicht zugunsten des Umweltschutzes beschränken sollte. Der indische Autobauer Tata bringt jetzt ein 1700-Euro-Auto auf den Markt. Was aber geschieht, wenn Hunderte Millionen Inder und Chinesen sich nun Autos kaufen?

Das wird ohne Zweifel ein Problem sein. Umgekehrt frage ich Sie aber: Haben wir in Tschechien oder in Deutschland überhaupt das Recht, diesen Leuten vorzuschreiben, dass sie bis in alle Ewigkeit Rad fahren sollen, während wir Mercedes fahren? Genau das verlangen aber die Apostel der Ökologie-Bewegung wie Al Gore. Ich nenne das Elitarismus.

Welche Form des Umweltschutzes ist für Sie akzeptabel und praktikabel?

Ich sage ja zum Umweltschutz, aber nein zum Enviromentalismus. Denn ich habe nichts gegen Umweltschutz im Kleinen, den wir mit unseren eigenen Kräften, mit unserem Benehmen beeinflussen können, und bei dem man das Ergebnis auch kontrollieren kann. Ich bin der Erste, der hier in meinem Amtssitz in der Prager Burg die Lichter ausmacht, um Strom zu sparen. Ich habe nichts gegen Gewässerschutz und so weiter.

Umweltschutz ist auch das Thema der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die EU hat mit den Stimmen Tschechiens entsprechende Richtlinien verabschiedet. All das kann Sie nicht überzeugen?

Das alles ist die heutige Mode. Aber Mode ist kurzlebig, die Röcke sind mal kürzer, mal länger. Deshalb habe ich noch Hoffnung.

Sven Gösmann, Denisa Richters, Rheinische Post, 18. 1. 2008

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