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Interview des Präsidenten der Tschechischen Republik Vaclav Klaus für Die Welt

Deutsche Seiten, 23. 11. 2007


Deutschlands Umweltschützer lieben ein geflügeltes Wort: „Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen“. Gemeint ist damit: Wir müssen sie an folgende Generationen genau so weitergeben, wie wir sie übernommen haben.

Das kann ich überhaupt nicht akzeptieren. Natürlich müssen wir mit der Umwelt äußerst vorsichtig umgehen. Aber die Devise, nach der nur die Erde wichtig ist und der Mensch nicht, ist unerträglich. Wir müssen doch auf und von der Erde leben. Und: Ohne Menschen hat die Erde keinen Sinn und keinen Wert, aber da sind wir fast schon bei religiösen Fragestellungen.

Haben Sie Kinder, an die Sie die Erde im Zweifel zurückgeben könnten?

Ich habe Kinder und Enkel.

Was glauben Sie, wie werden die später, etwa in zwanzig, dreißig Jahren über die heutige Debatte zur Klimaerwärmung reden?

Ich vermute, dass die nachfolgenden Generationen von dieser Debatte in 30 Jahren gar nichts mehr wissen werden. Und wenn doch, so dürften sie über die heutige Weltuntergangsstimmung lachen und sich fragen: Wie war das damals möglich, dass die Leute im Jahr 2007 so kuriose Dinge dachten und so komisch reagierten?

Fragen wir gleich heute: Wie ist es denn möglich?

Vielleicht können uns Soziologen und andere Gesellschaftswissenschaftler mal Auskunft darüber geben. Die Phänomene und Mechanismen sind allerdings auch nicht neu. Die Umweltdebatte und das Predigen vom Verzicht und von einem anderen Lebensstil – darüber sprechen wir seit den Sechziger- und Siebzigerjahren. Der Club of Rome machte uns damals schon Angst mit Grafiken und Tabellen.

Die Debatte ist nicht neu, aber die Fronten haben sich verschoben. Selbst US-Präsident George Bush gibt sich inzwischen vom Klimawandel überzeugt und folgt Angela Merkel beim Klimaschutz.

Es ist nicht meine Aufgabe, die Debatte zwischen diesen beiden Politikern zu analysieren. Aber ich habe dieses Jahr mehrfach mit Bush gesprochen und habe meine Zweifel, dass er seine Meinung geändert hat. Er ist ein Politiker, und auch er muss mit der Öffentlichkeit spielen, auf sie reagieren.

Im September hielten Sie eine Rede vor der UN-Vollversammlung, in der Sie den pessimistischen Voraussagen der Klimaforscher vehement widersprachen. Wie waren die Reaktionen?

Unmittelbar bekam ich nur höflichen Beifall. Später aber sprachen mich viele Staats- und Regierungschefs an, auf dem Flur, während des Abendessens, bei den Empfängen bei Bush, beim Generalsekretär, auch bei der tschechischen Vertretung. Sie sagten: Vielen Dank, dass Sie das genau so ausgedrückt haben, ich teile Ihre Meinung. Endlich hat es mal jemand gesagt.

Warum gab es dann nicht mehr solcher Reden wie Ihre?

Das habe ich die Kollegen auch gefragt. Das ist bei uns nicht möglich, hörte ich dann immer.

Wer stimmte Ihnen denn da zu. Ein paar Beispiele bitte.

Ich habe kein Recht, Namen zu nennen, wenn die sich nicht selbst offenbaren.

Wie viele waren es denn?

Es war eine zweistellige Anzahl.

Auch von bedeutenden Ländern, G-8-Mitglieder?

Durchaus. Sie würden überrascht sein, wenn Sie die Namen erfahren würden.

In Ihrem Buch vergleichen Sie zwei marktfeindliche Ideologien. Den Sozialismus damals und den Environmentalismus heute, dominiert von der Klimafrage. Vor 40 Jahren, beim Prager Frühling, gingen aus dieser Stadt entscheidende Impulse aus zur Überwindung des Sozialismus. Geht jetzt von Ihnen ein neuer Prager Frühling aus, quasi für ein besseres Klima?

Ich will nicht zu optimistisch sein. Aber es scheint zur Zeit doch einiges in Bewegung zu kommen. Die Menschen werden nachdenklich. Ein kleiner Wendepunkt war womöglich der Nobelpreis für den Ideologen und Propagandisten Al Gore. Wenn das Nobel-Komitee den Klimawarnern helfen wollte, so haben sie ihnen damit keinen Gefallen getan. Das fanden viele nicht mehr als seriös, da wurde der Rubikon überschritten. Als Wirtschaftswissenschaftler kenne ich im Übrigen auch das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag. Investieren Sie immer weiter in ein und das selbe Projekt, so nimmt der jeweils zusätzliche Ertrag ab. So geschieht es auch mit den ewig gleichen Mahnungen wegen des Klimawandels.

Der Film von Al Gore darf in britischen Schulen laut Gerichtsbeschluss nur noch gezeigt werden, wenn der Lehrer vorher auf die Kritik am Film hingewiesen hat. Wird der Film auch an tschechischen Schulen gezeigt?

Ich hoffe nicht.

Wie denkt denn die tschechische Öffentlichkeit über das eigenwillige Klima-Engagement ihres Präsidenten?

Dazu gibt es keine Umfragen. Einerseits sind die Menschen in unserem Land demselben Propagandaapparat ausgesetzt wie die übrige Weltöffentlichkeit. Andererseits schätze ich die Tschechen als pragmatisch ein, sie glauben nicht an die großen Ideengebäude.

Aus den Erfahrungen mit dem Sozialismus heraus?

Ganz bestimmt.

Demnach müssten Sie viel Unterstützung auch von den anderen ehemaligen Ostblockstaaten erhalten.

Das ist mir nicht aufgefallen. Als Liberaler suche ich auch nicht die Unterstützung von Ländern sondern von individuellen Personen.

Als Staatspräsident üben Sie in dieser Frage deutliche Kritik an Mitgliedern der Prager Regierung, etwa am Umweltminister Martin Bursik.

Er kritisiert mich öfter als ich ihn, dabei bin ich der Präsident. Wenn er das kann, warum nicht ich?

In Deutschland wäre es undenkbar, dass der Bundespräsident sich einzelne Minister auf diese Weise vorknöpft.

Warum ist das so in Deutschland? Warum sollen solche Debatten unter dem Tisch ablaufen? So etwas gehört doch in die Öffentlichkeit und diese Debatten gehören zu den Aufgaben des Präsidenten. Er ist eine politische Figur und bewegt sich im politischen Raum. Auch bei uns meinen manche, der Präsident solle nur feierlich Kränze niederlegen am Grab verstorbener Persönlichkeiten. Das ist nicht meine Auffassung und ich habe das vor meiner Wahl auch immer betont.

Haben Sie auch Verbündete in Ihrer Regierung?

Ich bin überzeugt, dass Martin Riman, Minister für Industrie und Handel, so denkt wie ich. Alexander Vondra, stellvertretender Ministerpräsident, ist von meinen Auffassungen nicht weit entfernt, der Regierungschef Mirek Topolanek ebenso. Er leitet aber eine Koalitionsregierung und muss deshalb Kompromisspositionen einnehmen. Mit den drei Kabinettsmitgliedern habe ich über das Thema gesprochen, mit anderen Ministern nicht, deshalb kann ich mich über deren Positionen nicht äußern.

Spielt es in der tschechischen Klimadebatte eine Rolle, dass mal wieder aus Deutschland die radikalsten Ideen kommen?

Solche Debatten führen wir hier nicht.

Sie warnen davor, dass der Klimaschutz das Wachstum bremsen könne. Die Klimaschützer selbst halten dagegen, sie würden mit ihren neuen Technologien das Wachstum ankurbeln.

Das ist ein durchschaubares Argument der Lobbyisten, die in die neuen Technologien und Energieformen investiert haben. Sie wollen uns die ja verkaufen (wobei sie im Übrigen auch teuer subventioniert werden).

In Ihrem Buch rücken Sie den Klimadiskurs in die Nähe einer neuen Religion.

Ich begrüße es, wenn Menschen die Umwelt schützen, auch das ist lebensnotwendig. Aber der Absolutismus, der Fundamentalismus, ja, auch der religiöse Ansatz, der die Debatte beherrscht – all dies stellt die Erde vor den Menschen, und das kann ich nicht akzeptieren.

Ulli Kulke, Die Welt, 23.11. 2007

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