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Es ist Zeit umzukehren

Deutsche Seiten, 28. 7. 2012

Alles spricht dafür, dass unsere wirtschaftliche Zukunft in Europa nicht einfach sein wird. Einige von uns wissen, dass wir uns kurz- und mittelfristig auf sehr unangenehme Wirtschafts-, Haushalts- und Bankprobleme vorbereiten müssen. Wir müssen mit einer längeren Stagnation rechnen, die unsere wirtschaftliche Position im Verhältnis zum Rest der Welt verschlechtern wird.

Was ist falsch gelaufen? In den 50er-Jahren waren die ursprünglichen Ziele der europäischen Integration grundsätzlich richtig. Die Liberalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen vergrößerte den Wettbewerb durch die Vergrößerung des (mehr oder weniger) offenen gemeinsamen Wirtschaftsraumes. Diese einseitige Liberalisierung hatte aber eine offensichtliche Schwäche: Die relativ erfolgreich organisierte Liberalisierung zwischen den Staaten beruhte nicht auf einer ähnlichen Marktliberalisierung innerhalb der einzelnen Länder. Im Gegenteil. Westeuropa akzeptierte eifrig und freiwillig die „Soziale Marktwirtschaft“, ein unproduktives, exzessiv paternalistisches, überreguliertes sozioökonomisches System, das in den folgenden Jahrzehnten auch noch durch den Eintritt der marktfeindlichen grünen Ideologie des Environmentalismus geschwächt wurde.

Auf diesem zweifelhaften Unterbau begannen Jacques Delors und seine Mitstreiter, Europa zu vereinigen und die Europäische Union zu institutionalisieren. Integration wandelte sich in Unifizierung, Liberalisierung in Zentralisierung, Harmonisierung in Standardisierung, wettbewerbsfreundliche Politik in exzessive Regulierung, gesunde Vielfalt in rigide Einförmigkeit.

Der deutlichste Schritt hierzu war die Gründung der Europäischen Währungsunion, die Einführung einer Einheitswährung für eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Staaten, die keinen optimalen Währungsraum bilden. Ihr Scheitern war unvermeidlich. Ihre Auswirkungen auf wirtschaftlich schwächere Länder, die daran gewöhnt waren, ihre Währungen von Zeit zu Zeit abzuwerten, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, waren von vorneherein bekannt.

Auf der anderen Seite sind die versprochenen Vorteile nie eingetreten. Das Wachstum, das im internationalen Handel und bei den Finanztransaktionen erreicht wurde, war relativ gering und wurde übertroffen „von den Kosten, heterogene Völker mit unterschiedlicher Geschichte, unterschiedlichen Sprachen und Kulturen in eine Einheitsnation zu zwingen“, wie es Robert Barro ausdrückte. Als die Schlechtwetterfront in Form der Finanz- und Wirtschaftskrise heraufzog, traten die Schwäche, die Ineffizienz, Widersprüche und Ungleichgewichte offen zutage, und die Währungsunion funktionierte nicht mehr richtig. Das war keine Überraschung. In der Vergangenheit benötigten alle Systeme fester Wechselkurse rechtzeitige Anpassungen – das kann man in jedem Lehrbuch nachlesen.

Das wollten die Entscheider der EU nicht wissen. Ihren Denkansatz kann man fast schon kommunistisch nennen: Es gibt keine ökonomischen Gesetze, die Politik kann der Wirtschaft diktieren. Einige von uns haben dieses Denken in mittel- und osteuropäischen Ländern kennen gelernt. Und wir haben gewagt auszusprechen, dass wir damit nicht einverstanden sind. Wir wurden damals als Feinde betrachtet, und wir werden heute wieder als Feinde betrachtet.

Es ist nun Zeit für eine Grundsatzentscheidung: Sollen wir weiter an das Dogma glauben, dass die Politik die Wirtschaft befehligen kann, und die gemeinsame Währung um jeden Preis weiter verteidigen, oder sollen wir endlich akzeptieren, dass wir zur ökonomischen Rationalität zurückkehren müssen? Die überwiegende Mehrheit der europäischen Politiker beantwortet diese Frage bis jetzt mit „Ja, wir sollten weitermachen.“ Wir müssen ihnen klarmachen, dass die Konsequenzen dieser Politik immer höhere Kosten für alle sind. Eines Tages werden diese Kosten unerträglich und untragbar.

Wir sollten Nein sagen. Die europäischen Politiker sollten gezwungen werden zuzugeben, dass wir uns in einer Sackgasse befinden und umkehren müssen. Eine solche Entscheidung kann nicht auf dem einen oder anderen EU-Gipfel getroffen werden. Sie erfordert von uns eine Transformation unseres Denkens und Verhaltens. Europa muss sich grundsätzlich und systematisch verändern, so wie wir es vor 20 Jahren in unserem Teil Europas vollzogen haben. Um dorthin zu kommen, brauchen wir einen politischen Prozess, nicht aber die Verabschiedung eines Papiers, das von einer Gruppe von EU-Bürokraten hinter verschlossenen Türen vorbereitet wurde. Die Änderung muss aus einer politischen Debatte in jedem einzelnen Mitgliedsland herauskommen. Sie muss auf den „Demos“ in diesen Ländern zurückgehen. Es gibt diesen „Demos“ nicht in Europa, dort gibt es nur „Einwohner“.

Das Thema, das jetzt angegangen werden muss, ist die Staatsverschuldung in der Euro-Zone. Dabei sollten wir bedenken, dass diese Krise nur die Spitze eines viel größeren Eisbergs ist. Die Krise in Europa reicht viel tiefer. Wir sollten – im Schumpeter’schen Sinne – akzeptieren, dass die Krise ein Prozess kreativer Zerstörung ist. Man kann nicht alles retten und festhalten. Manches muss in diesem Prozess zerstört oder zurückgelassen werden, insbesondere die falschen Vorstellungen.

Das heißt auch, dass sogar einige Staaten fallen gelassen werden sollen. Gegner dieser Lösung bringen vor, dass dies sehr teuer wäre. Das stimmt aber nicht: Das Durchwursteln, wie es jetzt praktiziert wird, ist teurer. Wir müssen ihnen erklären, dass die Kosten, die sie fürchten, schon längst angefallen sind.

Der amerikanische Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Thomas J. Sargent, hat uns jüngst in einem Artikel daran erinnert, dass die USA nur ein einziges Mal die Schulden von Mitgliedstaaten bezahlt haben. Das war 1789, und die Politiker sahen es als einen Preis, der für die Unabhängigkeit von Großbritannien gezahlt werden musste. Fünfzig Jahre später, in den frühen 1840er-Jahren, lehnte die Bundesregierung es ab, die Schulden der Bundesstaaten zu finanzieren. „Das brachte diese dazu, sich zu disziplinieren, indem sie ihre Verfassungen so einrichteten, dass die Freiheit und die Verantwortung für die Steuerpolitik und die Ausgaben innerhalb ihrer Staatsgrenzen blieben.“ Thomas Sargent fügte dann hinzu: „Es kann für die Europäer verlockend sein, die Bail-outs zu akzeptieren. Oder sie können sich an die Zeit erinnern, als die Amerikaner ihr föderalistisches System bewahrten, indem sie Nein sagten.“

Die Europäer sollten Nein sagen und mit einigen radikalen systematischen Änderungen beginnen, zu denen die folgenden Maßnahmen gehören:

1. Europa muss sich von der unproduktiven und viel zu paternalistischen Sozialen Marktwirtschaft befreien, die durch die wachsende Rolle der grünen Ideologie noch weiter geschwächt wird.

2. Europa sollte sich damit abfinden, dass die wirtschaftliche Anpassung eine bestimmte Zeit dauert und dass die ungeduldigen Politiker und Regierungen mit ihrem Aktivismus die Dinge nur verschlechtern. Wir müssen die Vorbedingungen für das Wirtschaftswachstum, die in Deutschland schon lange Zeit als Ordoliberalismus bekannt sind, schaffen und nicht versuchen, das Wirtschaftswachstum durch populistische Staatsinterventionen zu beschleunigen oder sogar zu ‚schaffen‘.

3. Europa sollte einen radikalen Plan zur umfassenden Reduzierung der Ausgaben der Staatshaushalte vorbereiten und aufhören, mit Steuererhöhungen zu flirten.

4. Europa sollte die schleichende, aber ständig wachsende grüne Gesetzgebung zum Stopp bringen. Wir sollten es verhindern, dass die Grünen unsere Wirtschaft in Beschlag nehmen, unter der Fahne so unsinniger Ideen, wie es die Doktrin der globalen Erwärmung ist.

5. Europa sollte die exzessive Zentralisierung, Harmonisierung und Standardisierung des europäischen Kontinents aufhalten und die radikale Dezentralisierung, Deregulierung und Desubventionierung unserer Wirtschaft und Gesellschaft angehen.

6. Europa sollte den Ländern, die Opfer der Europäischen Währungsunion geworden sind, ermöglichen, auszutreten und zu ihren eigenen Währungsarrangements zurückzukehren.

7. Europa sollte Pläne wie die Fiskalunion vergessen, ganz zu schweigen von antidemokratischen Ambitionen, den gesamten Kontinent politisch zu einigen.

8. Europa sollte zur Demokratie zurückkehren, die ausschließlich auf der Ebene der Staaten existieren kann, und nicht auf der Ebene des ganzen Kontinents. Dazu ist die Rückkehr vom Supranationalismus zum Intergovernmentalismus notwendig.

Václav Klaus, IIF Ditchley Conference, Stresa, Italien, 12. Juli 2012.

Publiziert in Handelsblatt am 27. Juli 2012. Übersetzung aus Englisch: Hans Eschbach.

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