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Komparative Analyse der Transformation im Multavialand und Albisland

Deutsche Seiten, 23. 2. 2007

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Milbradt, sehr geehrter Herr Rektor, sehr geehrter Herr Dekan, Damen und Herren,

es ist für mich eine große Ehre und wirkliche persönliche Freude, bei ihnen, an der Technischen Universität Dresden, ein Ehrendoktorat der Wirtschaftswissenschaften zu erhalten. Das sage ich ganz aufrichtig. Vielen Dank für diese Auszeichnung und für die Gelegenheit hier heute sprechen zu dürfen.

Lange Zeit habe ich nachgedacht, was für ein Thema ich für die heutige Rede auswählen sollte. Als ein Volkswirt und Politiker bin ich an einer technischen Universität. Es könnte ein Thema sein. Wir sind in Dresden, in dieser berühmten historischen Stadt, mit der mein Geburtsort, Prag, viele Jahrhunderte lang sehr enge und intensive Beziehungen hatte. Ich bin in einem Nachbarland, mit dem uns eine nicht immer konfliktfreie Geschichte verbindet. Es wechselten die Phasen des friedlichen, nachbarschaftlichen Zusammenlebens und der gegenseitigen Bereicherung, mit den Phasen der Entfremdung und der Feindschaft. In dieser Hinsicht ist die Gegenwart ohne Zweifel absolut problemlos und die negativen Erfahrungen gehören schon völlig der Vergangenheit an.

Wir sind aber auch in einem postkommunistischen Lande, das seine kommunistische Vergangenheit erfolgreich bekämpft hat, und das in diesem Prozess ohne Zweifel interessante Lektionen gelernt hat. Wir sind auch in einem Lande, das – zusammen mit uns – in der Europäischen Union ist, was unseren Beziehungen neue Qualität gibt.

Alle diese Themen sind interessant und könnten hier heute diskutiert werden. Ganz absichtlich wähle ich als mein heutiges Thema die Frage der Transformation der Gesellschaft und besonders der Wirtschaft vom Kommunismus zur Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft aus. Beide unsere Länder sind diesen Prozess in den letzten siebzehn Jahren durchgegangen. Beide haben viele Erfahrungen gemacht. Die Erfahrungen müssen für die Zukunft bewahrt werden.

Ich bin leider nicht in der Lage heute mehr als einige Bemerkungen zu diesem Thema zu machen. Als ein Politiker, der schon mehr als 17 Jahre in der aktiven Politik ist, habe ich nicht den Vorteil (oder den Luxus) an einer Universität zu forschen. Deshalb kann ich hier nicht eine grundsätzliche und empirische Analyse dieses Problems vorstellen. Ich muss nur mit den stilisierten Fakten und Daten arbeiten und kann deshalb nur eine hypothetische Modellübung präsentieren. Bestimmte Erfahrungen dafür habe ich.

Aus diesem Grunde werde ich nicht über die Tschechische Republik und Deutschland (oder über Ostdeutschland oder Sachsen) sprechen, sondern über das Moldauland und Elbeland. Den hypothetischen Charakter dieser Übung möchte ich mit den latinisierenden Terminen Multavialand und Albisland noch deutlicher machen.

Beide Länder, Multavialand und Albisland, mussten eine radikale und fundamentale Transformation der ganzen Gesellschaft (und Wirtschaft) erfahren, und teilweise sogar organisieren. Der Unterschied zwischen den Verben „erfahren“ und „organisieren“ ist für mich wichtig. Ein solcher Systemwechsel ist eine a priori unvorstellbare und auch unwiederholbare Kombination der spontanen Evolution und der organisierten Konstruktion, die in allen Ländern unterschiedlich ist. Diese Aufgabe war aber für beide Länder identisch und die Nebenbedingung – die Minimalisierung der Kosten der Transformation – auch.

Ein solcher Systemwechsel ist immer und überall mit riesigen Kosten verbunden. Die Illusionen, dass er ohne Kosten möglich wäre, existierten und existieren, aber sie sind falsch. Meine Erwartungen als auch unsere gemeinsame Erfahrungen sagen uns, dass die unangenehme J-Kurve (die den Zeitverlauf der Wohlfahrt, ausgedrückt z. B. durch BSP, demonstriert) unvermeidlich ist. Die Aufgabe war den ersten Teil der Kurve, d. h. die Senkung des BSPs und aller anderen, ebenfalls unmessbaren Erscheinungen, zu minimalisieren. (Heute kann ich hier keine überzeugende Analyse des Verlaufs dieser Kurve weder für Multavialand noch für Albisland präsentieren. Das wären vielleicht interessante Doktorarbeiten für Ihre Studenten.)

Die Unterschiede zwischen Multavialand und Albisland existierten vor der Wende und existieren auch heute. Der Unterschied war (und ist) aber nur quantitativ, nicht qualitativ. Meine Voraussetzung ist, dass ich ihn für meine weitere Analyse als unwichtig betrachten kann. Beide Länder mussten die Öffnung der Märkte, die Liberalisierung und Deregulierung der ganzen Wirtschaft, die Massenprivatisierung (d. h. die Privatisierung der ganzen Wirtschaft, nicht nur einzelnen Firmen), und den Aufbau von marktfreundlichen Institutionen und Regeln organisieren. Auch die makroökonomische und soziale Stabilität mussten garantiert werden. Das haben beide Länder getan.

Es waren aber ein paar Parameter, die sie beeinflussen konnten. Zu den wichtigsten Parametern – mindestens für diese ökonomische Modellübung – gehören

· das Lohnniveau, das die Arbeitskosten und die Konkurrenzfähigkeit vorausbestimmt,

· das Sozialeinkommensniveau, das die Belastung des Staatshaushaltes darstellt und die Arbeitsmotivation beeinflusst,

· der Wechselkurs, der das Überleben der ganzen Wirtschaft und ihren verschiedenen Bereichen und Firmen ermöglicht,

· die Institutionen und Regeln, die die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsaktivitäten schaffen, und, nicht zuletzt,

· die externe Finanzhilfe, die verschiedene Härte und Lasten des Systemwechsels mildern kann.

Meine weitere, aber ohne Zweifel mutige Voraussetzung ist, dass die Haupttransformationsmaßnahmen – Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung – mit ähnlichem oder vergleichbarem Erfolg in beiden Ländern verliefen. Viel wichtigere Unterschiede sehe ich in den existierenden Parametern.

Ad a) Das Multavialand musste die Institutionen und Regeln in einem peinlichen und langdauernden Prozess selbst aufbauen. Das Albisland hat – im Gegenteil – nach der Vereinigung mit seinem älteren Bruder seine Institutionen und Regeln übernacht angenommen. Was war für den Erfolg der Transformation besser?

Es gibt Leute, hauptsächlich in verschiedenen internationalen Organisationen und Beratungsfirmen, die überzeugt sind, dass je früher ein Land gute oder ideale Institutionen und Regeln hat, desto besser. Ich bin mir nicht ganz sicher, und zwar aus zwei folgenden Gründen.

Erstens, die Leute in einer demokratischen Gesellschaft brauchen das Gefühl, dass sie ihre Gesetze selbst machen. Sonst halten sie sie nicht für ihre eigene, sondern für fremde. Zweitens, die außen entwickelten Institutionen und Regeln geben nicht nur die notwendige „gute“ Infrastruktur, sondern auch etwas anderes. Sie bringen die Notwendigkeit sehr schneller Anpassung aller Teilnehmer an neue Bedingungen und bringen auch verschiedene Normen und Standarte mit sich, derer Ansprüche eine Bremse der Entwicklung des Landes darstellen können. Dies zu analysieren ist nicht einfach. Vorläufig kann man aber sagen, dass der schnelle Import von solcher Infrastruktur für das Albisland nicht nur ein Vorteil, sondern ein zweischneidiges Schwert war.

Ad b) Das Multavialand hatte die Lohnkosten in seinen eigenen Händen, genauer gesagt, die Lohnkosten waren in den „unsichtbaren Händen“ des Marktes. Die Preise stiegen am Anfang viel schneller als die Löhne. Die radikale Preisliberalisierung, nicht die administrativ-eingeführte Lohnfixierung, hat die Reallöhne heruntergedrückt. Dieses Phänomen habe ich als das Schaffen eines wichtigen und nützlichen „Transformationspolsters“ genannt, der im Multavialand viele Industriezweigen und Firmen gerettet hat. Im Albisland sind die Löhne wegen einem Demonstrationseffekt viel schneller gewachsen, was den dortigen Firmen viele Schwierigkeiten gebracht hat. Auch ex-post bin ich ganz sicher, dass die Existenz von einem solchen Transformationspolster notwendig war. Es wäre nur ein Fehler, wenn die Existenz dieses Transformationspolsters lange Zeit künstlich prolongiert wäre. Das hat man im Multavialand nicht gemacht.

Ad c) Der zweite wichtige Transformationspolster im Multavialand war die Existenz seiner eigenen Währung, d. h. die Existenz des Wechselkurses, der ein der wichtigsten Wirtschaftsparametern ist. Der Unterschied zwischen dem Nominalkurs, der das notwendige Gleichgewicht der Zahlungsbilanz garantierte, und der Kaufkraftparität, die die reale Stärke der Währung zeigte, erstellte einen anderen Transformationspolster, der das weitere Funktionieren der multavialändischen Wirtschaft ermöglichte und am Anfang den multavialändischen Firmen den notwendigen Luft zum Atmen brachte.

Das Albisland hat auf seine eigene Währung verzichtet. Das ist von mir eine absolut neutrale Beschreibung der Realität, kein Werturteil, keine Bewertung, keine Kritik. Die radikale Aufwertung der albisländischen Währung hat die Kosten markant hinaufgesetzt, was viele albisländische Firmen nicht überleben konnten. Meine Schlussfolgerung ist, dass die Existenz der eigenen Währung für die Transformationsphase ohne Zweifel eine wichtige Hilfe war.

Ad d) Beide Länder haben in der Transformationsphase die Sozialfragen berücksichtigt, auch wenn die Kritiker der Transformationsstrategie in den beiden Ländern das nicht anerkennen wollten. Das Multavialand hat die Sozialzahlungen jedes Jahr allmählich erhöht – um die Inflationsrate und um die Hälfte des Reallohnzuwachses – aber mit einer wichtigen Ausnahme. Die einmalige Preiserhöhung, zu der nach der Preisliberalisierung gekommen ist, wurde nicht völlig kompensiert.

Wenn ich mich nicht irre, hat es das Albisland anders gemacht. Die Sozialzahlungen sind dort fast zu dem gleichen Niveau gestiegen, wie in dem Lande seines älteren Bruders. Das hat den Staatshaushalt sehr belastet und zwei gefährliche Diskrepanzen zur Folge gehabt: zwischen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und dem Niveau der Sozialzahlungen und zwischen den Löhnen und den Sozialzahlungen. Die Arbeitsmotivation ist radikal gesunken und die Arbeitslosigkeit war mehrmals (viermal oder fünfmal) höher als im Multavialand. Auch das ist von mir keine Kritik oder Beurteilung, nur eine Beschreibung der Situation.

Ad e) Das alles ist mit dem letzten von meinen fünf Parametern verbunden. Die externe Finanzhilfe im Multavialand war praktisch null. Die relativ kleinen Kredite von der Weltbank und dem IWF (in der Höhe von 2 Milliarden USD) hat das Multavialand nur als einen „standby arrangement“ angenommen, nicht benützt, und sehr bald zurückbezahlt. Das Albisland hat nicht nur Kredite, sondern auch riesige „fiscal transfers“ bekommen, die sie nicht zurückzahlen musste. In den ersten 10 – 15 Jahren der Transformation war die Summe der Fiskaltransfers, die das Albisland jährlich bekam, in der Höhe des jährlichen Bruttosozialprodukts des Multavialandes. Ich muss sagen, dass das nicht nur die Einwohner dieser Länder, sondern auch die Politiker dieser Länder nicht wussten. Die Ökonomen müssen es aber in ihren Analysen in Anspruch nehmen, was sie – befürchte ich – nicht im genügenden Maße tun.

Es gibt viele andere wichtige Faktoren, die die heutige Situation und das zukünftige Leistungspotential beider Länder beeinflusst haben. Man kann deshalb ähnliche Modellübungen auch mit anderen Variablen machen. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass meine Auswahl der Parameter gewisse Berechtigung hat und dass uns diese Modellübung etwas Wichtiges sagt.

Wir können nur hoffen, dass Albisland und Multavialand nie existierten, und dass diese Modellübung sehr weit von der Realität unserer beiden Länder entfernt sein wird.

Am Ende möchte ich mich noch einmal für das Ehrendoktorat ihrer Universität bedanken. Ich kann nur hoffen, dass ich auf der Basis dieser meiner Rede, die die Essenz meiner theoretischen Arbeiten der letzten 17 Jahre in diesem Gebiet darstellt, ein wirkliches Doktorat Ihrer Universität verdienen werde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Václav Klaus, Rede bei der Verleihung des Ehrendoktorates der Wirtschaftswissenschaften, Technische Universität Dresden, 23. Februar 2007

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